Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ist in Deutschland seit 2018 in Kraft. Deutschland hat es dennoch seither nicht geschafft, einen effektiven Gewaltschutz für Frauen und Mädchen umzusetzen. Vielmehr weisen die Hilfestrukturen, Gesetzgebung und Finanzierung nach wie vor eklatante Lücken auf. Diese wurden im Alternativbericht des Bündnis Istanbul-Konvention ausführlich erläutert. Die neue Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, die Istanbul-Konvention vorbehaltlos umzusetzen. Darüber hinaus haben sich die Regierungsparteien darauf verständigt, „das Hilfesystem (…) bedarfsgerecht auszubauen“. Weiter wollen sie „einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern“ schaffen und eine Beteiligung des Bundes an der Regelfinanzierung umsetzen. In dieser Legislatur wird der Runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ aus Bund, Ländern und Kommunen unter Federführung des BMFSFJ fortgesetzt. Dieser hat u.a. das Ziel, eine bundesgesetzliche Regelung zur Finanzierung der Frauenunterstützungsstruktur zu erarbeiten. Die Fachverbände werden temporär beteiligt, die Gestaltungsmöglichkeit ist jedoch gering. Genau hier können die Maßnahmen dieses Schwerpunktthemas ansetzen, damit die gesetzliche Regelung den tatsächlichen Bedarfen der gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern entspricht. Dies kann nur gelingen, wenn der Gewaltschutz intersektional ausgerichtet ist. Daran muss sich eine entsprechende Gesetzgebung messen lassen. Zudem bedarf es einer Gesamtstrategie, die alle Ressorts einbezieht.
Erst ein Leben frei von körperlicher und struktureller Gewalt ermöglicht Frauen und Mädchen die gleichberechtigte Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen. Nutzung von Bildungsangeboten, selbstbestimmtes Gestalten der Erwerbsbiografie und politische Partizipation sind nur möglich, wenn die Gewährleistung der psychischen und physischen Integrität von Frauen und Mädchen auch das Ziel staatlicher Gesetzgebung ist und Ausgrenzung verhindert.
Da Frauen noch immer den größten Anteil der Erziehungsarbeit leisten, ist ihre Stärke ein Garant für das Aufbrechen von vorherrschenden Geschlechternormen und Gleichberechtigung künftiger Generationen. Flüchten Frauen in ein Frauenhaus, müssen sie ihre Erwerbsarbeit unterbrechen oder aus Sicherheitsgründen ganz beenden. Haben sie eigenes Einkommen, müssen sie je nach Finanzierungsform des Frauenhauses für die Kosten des Aufenthalts im Frauenhaus selbst aufkommen. Der Gewaltschutz in Deutschland ist nach wie vor nicht kostenfrei, unbürokratisch, niedrigschwellig und auskömmlich gewährleistet.
Jetzt bietet sich für den DF und seine Mitgliedsorganisationen aufgrund der politischen Weichenstellung die Chance, maßgeblichen Einfluss auf die politischen Prozesse zur Finanzierung der Frauenunterstützungsstruktur zu nehmen. Seit über 40 Jahren ist dies ein Kernanliegen der Frauenhäuser. Die Fokussierung auf dieses Schwerpunktthema eröffnet die Möglichkeit, die große Expertise in den politischen Diskurs einzubringen und so einen wichtigen Beitrag für ein Leben ohne Gewalt für Frauen und Mädchen zu leisten.
Das Schwerpunktthema „Gewalt gegen Frauen beenden“ ist zunächst sehr pointiert auf die Begleitung der Ausarbeitung einer gesetzlichen Regelung zur Finanzierung der Frauenunterstützungsstruktur (Frauenhäuser und Beratungsstellen) ausgerichtet. In einem nächsten Schritt wird dann gemeinsam im Fachausschuss, je nach Stand der ressortübergreifenden Gesamtstrategie der Bundesregierung, erarbeitet, welcher Themenschwerpunkt im Anschluss gesetzt wird. Dies kann beispielsweise das Thema Gewaltprävention sein.
[x] Strategie für Lobbyarbeit
[x] Politisches Hearing
[x] Öffentliche Veranstaltung
[x] Fachausschuss
6/2023 – 6/2025