Alle drei Tage wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Täglich versucht es ein Täter. Häusliche Gewalt gegen Frauen nimmt insgesamt zu. Wenn das Zuhause zum größten Sicherheitsrisiko wird, geht das die ganze Gesellschaft an. Dennoch bleiben Hilfestrukturen, wie z.B. Frauenhäuser und Beratungsstellen, unterfinanziert. Dies führt dazu, dass nicht alle Frauen und Mädchen den gleichen Zugang zu Schutz und Unterstützung erhalten. In Deutschland fehlen drei Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention, einer umfassenden Gewaltschutz-Konvention des Europarats, noch immer ein politisches Gesamtkonzept und ausreichende Mittel, um Frauen und Mädchen vor Gewalt zu schützen.
Gesamtstrategie gegen Gewalt an Frauen und Mädchen
Die Verhinderung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt müssen in allen gesellschaftlichen Bereichen verankert sein: von den Kindergärten bis in die Pflegeheime, in sozialen Medien, Sportvereinen und Unternehmen, in Behörden, Justiz und Polizei. Der DF fordert deshalb eine politische Gesamtstrategie, an der alle verantwortlichen Ministerien sowie alle staatlichen Ebenen beteiligt sind und die von allen verbindlich umgesetzt werden muss. Gemäß der Istanbul-Konvention erwartet der DF, dass die Zivilgesellschaft an der Erarbeitung dieser Strategie beteiligt wird.
Zur Gesamtstrategie gehört, die geschlechtsspezifische Gewalt als festen Bestandteil der Aus- und Fortbildungscurricula von Justiz-, Polizei,- Sozialer Arbeits-, Bildungs- und Gesundheitspersonal zu etablieren. Die schnelle Ratifizierung und Umsetzung der ILO-Konvention 190 zum Schutz von Frauen vor Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz ist ebenfalls eine dringende Priorität. Vier Jahre nach der Neuregelung des Vergewaltigungsparagraphen („Nein heißt Nein“) muss außerdem zusammen mit den Strafverfolgungsbehörden und der Justiz eine Bestandsaufnahme erfolgen, um die Wirkung der Gesetzesänderung zu evaluieren.
Die Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Mädchen und die Finanzierung eines flächendeckenden Hilfesystems, das der individuellen Situation der Frauen gerecht wird, sind gesamtstaatliche Aufgaben. Deshalb fordert der DF eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von Präventionsmaßnahmen und des Hilfesystems.
Eine politische Gesamtstrategie, wie sie die Istanbul-Konvention vorsieht, erfordert eine nationale Koordinierungsstelle. Diese koordiniert die Zusammenarbeit der unterschiedlichen politischen Akteur*innen, Institutionen und Verwaltungsebenen und begleitet die Umsetzung der Maßnahmen. Dazu muss sie mit einem klaren Mandat ausgestattet und hoch in der Verwaltungshierarchie angesiedelt sein.
Schutz vor digitaler Gewalt
Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte, Hassreden und Beleidigungen müssen im digitalen Raum juristisch genauso verfolgt werden wie im Offline-Kontext. Der DF erwartet von der nächsten Bundesregierung einen neuen Straftatbestand zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt im Netz. Digitale Netzwerke müssen ihre Löschaktivitäten offenlegen. Diese müssen außerdem durch eine unabhängige Prüfinstanz kontrolliert werden. Zudem fordert der DF eine Kennzeichnungspflicht für Bots, d.h. für automatisiert verbreitete Inhalte. Nur so kann es gelingen, Frauen effektiv vor digitaler Gewalt zu schützen.
Schutz für geflüchtete Frauen
Deutschland muss sowohl in den Asylverfahren als auch bei der Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Frauen seiner Verpflichtung zum Schutz aller Frauen und Mädchen vor Gewalt nachkommen. Der DF fordert geschlechtssensible Asylverfahren und Zugang zu geschlechtssensibler Beratung. Der Missstand, dass geschlechtsspezifische Fluchtgründe systematisch nicht erkannt und anerkannt werden, muss behoben werden. Die Bundesländer müssen Gewaltschutzkonzepte für Unterkünfte verpflichtend und umfassend umsetzen. Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten sollten gegenüber Sammelunterkünften bevorzugt werden. In Sammelunterkünften muss der Schutz von Frauen und Mädchen sichergestellt werden. Um Frauen und ihre Kinder im Gewaltfall schnell in Sicherheit zu bringen, fordert der DF, die Wohnsitzauflage für gewaltbetroffene Geflüchtete abzuschaffen.