Der Schutz vor häuslicher Gewalt ist ein Querschnittsthema und muss im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform bei allen gesetzlichen Regelungen mitgedacht werden. Elternautonomie mit Blick auf die Gestaltung des Sorge- und Umgangsrechts darf Schutzbedarfe nicht konterkarieren. Für einen umfassenden Schutz muss Folgendes gesetzlich im Kindschaftsrecht verankert werden: Das Familiengericht muss Anhaltspunkte für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder dem anderen Elternteil und deren Auswirkungen umfassend und systematisch ermitteln und eine Risikoanalyse vornehmen. Der Schutz eines von Partnerschaftsgewalt betroffenen Elternteils darf durch Entscheidungen zum Umgangs- und Sorgerecht nicht gefährdet werden. Die Regelung der Gerichtszuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes muss in Fällen der Flucht vor Partnerschaftsgewalt und dem Aufsuchen einer Schutzeinrichtung, z.B. Frauenhaus, ausgesetzt werden. Die Gerichtszuständigkeit führt andernfalls zum Bekanntwerden der Stadt oder des Bezirks, in dem der Elternteil Schutz gesucht hat. Die Aufrechterhaltung oder Begründung eines gemeinsamen Sorgerechts kommt bei Partnerschaftsgewalt in der Regel nicht in Betracht. Der Umgang mit dem gewaltausübenden Elternteil dient in der Regel nicht dem Wohl des Kindes. Das Wechselmodell ist in Fällen von häuslicher Gewalt auszuschließen. Voraussetzung für (begleiteten) Umgang muss immer eine Gewaltverzichtserklärung, die Verantwortungsübernahme für die Gewalt sowie die Teilnahme an Täterprogrammen seitens des gewaltausübenden Elternteils sein.
Eine verpflichtende Aus- und Fortbildung aller am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Professionen zu den Formen häuslicher Gewalt und ihrer Dynamiken, ihrer gesundheitlichen Auswirkungen auf gewaltbetroffene Elternteile und zu den Folgen miterlebter Gewalt für Kinder muss gesetzlich verankert werden. Die Fortbildung muss wissenschaftlich fundiert sein und eine kindeswohlzentrierte und gewaltsensible Haltung einnehmen: Pseudowissenschaftliche Konzepte wie Eltern-Kind-Entfremdung dürfen nicht Bestandteil von Fortbildungen sein, da sie in der Praxis dazu führen, den Gewaltschutz auszuhebeln. Dies ist durch verbindliche Curricula und Zertifizierungen zu garantieren.