#MeToo – alles eine Frage der Macht

Debatte | 8. März 2018

Wenn ich vor 15 Jahren kritisch über Sexismus in unserer Gesellschaft sprach, wurde ich schnell als „Emanze“ diffamiert. Vor fünf Jahren wurde ich dann immerhin „nur noch“ als Feministin bezeichnet, was für viele noch als Beleidigung galt. Heute ist es nicht mehr so riskant, den Sexismus in unserer Gesellschaft anzuprangern. Mehr noch: Es gibt inzwischen auch einige Männer, die sich öffentlich und kritisch gegen Sexismus stellen. Die Solidarität, sich gegen Sexismus zu bekennen, ist gestiegen.

#Aufschrei und #MeToo haben die Debatte um Sexismus mit einer Vehemenz in den Mittelpunkt der Gesellschaft katapultiert, wie es nur Empörungsmomente schaffen. Die Betroffenen werden nicht mehr selbstverständlich als LügnerInnen an den Pranger gestellt. Die Solidarität mit den Betroffenen durch die öffentliche Debatte stärkt die Opfer und entlarvt die Täter. Wir reden hier nicht nur über Nötigung und Vergewaltigung, die meistens in Situationen zu zweit ohne Zeugen passieren. Wir sprechen hier von öffentlicher Diffamierung und Beschämung, oft so subtil, dass sie kaum eines Kommentars würdig erscheinen. Wenn beispielsweise der Kollege die Praktikantin berührt und ihre „weiblichen Reize“ bewertet. Ich hoffe, dass sich durch die aktuelle Debatte mehr Frauen ermutigt fühlen, öffentlich aufzubegehren. Ich hoffe, dass immer mehr Frauen und Männer Sexismus offenlegen und ihn benennen, wenn er vor ihren Augen passiert. Damit unsere Gesellschaft irgendwann kein #MeToo mehr braucht.

In Hollywood werden Forderungen nach “Inclusion Rider” laut. Damit ist eine Vertragsklausel gemeint, die kulturelle Diversität bei einer Filmproduktion festschreibt. Schauspielerinnen und Schauspieler könnten sich dadurch vertraglich zusichern lassen, dass in ihren Filmen Frauen und Minderheiten ausreichend repräsentiert werden. Das ist sicher sinnvoll, denn Vertragsklauseln schaffen Verbindlichkeit. Nur wenn Frauen und Minderheiten ausreichend vertreten sind, nimmt die Vormacht weißer Männer ab.

„Wir brauchen eine öffentliche Debatte über Sexismus und Gewalt gegenüber Frauen“, forderte erst kürzlich Bundesfrauenministerin Katarina Barley. Dieser Forderung schließe ich mich an. Doch nur, wenn wir die Debatte dazu nutzen, strukturelle Benachteiligungen von Frauen zu beseitigen, bekämpfen wir Sexismus. Die strukturelle Benachteiligung ist an die Machfrage geknüpft. Solange Frauen weniger Macht haben als Männer, wird sich nichts ändern. Auch wenn sich viele Frauen zu #MeToo geäußert haben, einzelne können sich schwer wehren. Deshalb brauchen wir in Deutschland ein Verbandsklagerecht. Mit einem Verbandsklagerecht können Antidiskriminierungsverbände, Gewerkschaften, Betriebs- sowie Personalräte und Mitarbeitendenvertretungen an Stelle von Betroffenen klagen. Diese müssten nicht mehr alleine vor Gericht ziehen. Sie würden damit gestärkt und ermutigt zu ihrem Recht zu kommen.

Ein Rückkehrrecht auf Vollzeit und flexible Vollzeitarbeitsmodelle wären ein weiterer Schritt in Richtung mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt und mehr partnerschaftlicher Arbeitsteilung.

Noch immer ist jede vierte Frau in Deutschland von Gewalt im häuslichen Umfeld betroffen, so die Studie der EU-Grundrechteagentur von 2014. Doch nur in einer gewaltfreien Gesellschaft kann gleichberechtigte Teilhabe entstehen, Sexismus eingedämmt werden. Mit der Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle gegen Gewalt sowie einer unabhängigen Monitoringstelle zur Datensammlung und Forschung zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ wäre ein Meilenstein gegen Gewalt an Frauen erreicht. Deutschland hat sich in der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet, diese Punkte umzusetzen.

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass im Koalitionsvertrag der Großen Koalition zum ersten Mal steht, Sexismus durch Maßnahmen und Projekte bekämpfen zu wollen. Wir fordern von der zukünftigen Regierung konkrete Taten, damit Gewaltfreiheit als grundlegende Voraussetzung für Gleichberechtigung Realität werden kann.

Dr. Anja Nordmann, Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats

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