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Das Politische wirkt privat

Aktuelles | 13. November 2020

Maßnahmen für eine Umverteilung und Aufwertung von Sorgearbeit

Frauen und Männer müssen in allen Lebenslagen Erwerbs- und Sorgearbeit verbinden können. Dafür bedarf es Rahmenbedingungen, die ein partnerschaftliches Erwerbs- und-Sorge-Arrangement ermöglichen. Sorgearbeit muss zwischen den Geschlechtern umverteilt werden. Damit Rückschritte in der Gleichstellung verhindert werden, müssen staatliche Maßnahmen im Umgang mit der Corona-Pandemie die Lebenswirklichkeit von Müttern und pflegenden Frauen berücksichtigen. Die Krise zeigt unter dem Brennglas: Unser System basiert auf unentgeltlicher Fürsorge, Erziehung und Pflege.
Auch bei der professionellen Sorgearbeit gibt es ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern: Ob als Sozialpädagogin im Mädchenprojekt, Haushaltshilfe, Krankenschwester oder Erzieherin – meistens sind es Frauen, die in diesen systemrelevanten Berufen gesellschaftlich wertvolle Arbeit bei schlechter Vergütung leisten. Damit diese wichtigen Tätigkeiten ihrem gesellschaftlichem Wert entsprechend vergütet werden, müssen die Sorgeberufe aufgewertet werden.

Öffentliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen

Der Deutsche Frauenrat setzt sich für öffentliche Zuschüsse zur Förderung legaler und transparenter Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen ein. Frauen übernehmen mehr Arbeit im Haushalt als Männer und gleichzeitig wird ihre Erwerbstätigkeit politisch gewollt, gefördert und verlangt. Wer die eigenständige Existenzsicherung von Frauen bis hin zur Rente will, muss ihre Verhandlungsposition in den Familien stärken und damit eine wichtige Voraussetzung für die gleichberechtigte Arbeitsteilung schaffen. Die Subventionierung haushaltsnaher Dienstleistungen kann die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Haushalt erleichtern, bei entsprechend ausgestalteten Zuschüssen auch für Menschen mit geringen Einkommen.
Darüber hinaus verringert die Förderung haushaltsnaher Dienstleistungen prekäre und illegale Arbeitsverhältnisse und kann in der aktuellen Krise als Konjunkturprogramm wirken. Mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Privathaushalten stärkt eine frauendominierte Branche und nebenbei werden die sozialen Sicherungssysteme wie Renten- oder Arbeitslosenversicherung stabilisiert. Wird Sorgearbeit in Haushalten besser entlohnt, wird Sorgearbeit und als vermeintlich „weibliche“ Arbeit aufgewertet. Gleichzeitig wäre die Förderung ein Signal gegen die sich abzeichnende Retraditionalisierung in Paarbeziehungen in Folge der Krise.

Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten

Der Deutsche Frauenrat fordert die Einführung einer Entgeltersatzleistung für Pflegezeiten, damit pflegende Frauen besser abgesichert und Männer ermutigt werden, Pflegeaufgaben zu übernehmen. In Folge der tradierten Rollenzuschreibungen und ihrer schlechteren Bezahlung pflegen zumeist Frauen ihre Angehörigen und geben dafür oftmals ihre Berufstätigkeit ganz oder teilweise auf – mit den entsprechenden Konsequenzen für ihre berufliche Entwicklung sowie ihre eigenständige Existenzsicherung, auch im Alter. Gleichstellungspolitisches Ziel muss es daher sein, sowohl Männern als auch Frauen die Möglichkeit zur Übernahme von Pflegeverantwortung zu eröffnen und sie gleichzeitig in ihrer Berufstätigkeit zu stärken. Gesetzliche Regelungen, die für mehr Arbeitszeitsouveränität der Beschäftigten sorgen, sind dann der richtige Weg, wenn sie befristete Auszeiten oder die vorübergehende Reduzierung der Erwerbstätigkeit für Pflegeaufgaben durch eine Entgeltersatzleistung erleichtern.
Pflegende Angehörige sind gerade jetzt in Zeiten von Corona besonders gefordert, wenn Einrichtungen der Kurzzeit- und der Tagespflege oder für Menschen mit Behinderung (z.B. Förderschulen und Werkstätten) schließen oder dauerhafte Kontaktbeschränkungen verhängt werden. Frauen in der Pflege sind in dieser Situation für ihre Existenzsicherung auf staatlichen Schutz angewiesen.

Gesetzliche Verpflichtung für lebensphasenorientierte Arbeitszeiten

Der Deutsche Frauenrat setzt sich für die Einführung lebensphasenorientierter Arbeitszeiten ein. Eine gerechte Verteilung der bezahlten Erwerbs- und unbezahlten Reproduktionsarbeit zwischen den Geschlechtern wird damit erleichtert. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, Betriebe und Dienststellen zur systematischen Auseinandersetzung mit dem Thema „Lebensphasenorientierte Arbeitszeiten“ gesetzlich zu verpflichten: Beschäftigte müssen das Recht erhalten, Dauer und Verteilung der vertraglichen Arbeitszeit zu verändern sowie ihren Arbeitsort zu wählen, sofern keine dringenden betrieblichen oder dienstlichen Gründe entgegenstehen.
Insbesondere Frauen, die bislang den Hauptteil der Sorgearbeit übernehmen, sichert die variable Gestaltung der Arbeitszeit entsprechend der konkreten Lebensphasen eine durchgängige und unabhängige Erwerbsbiographie mit entsprechender sozialer Absicherung. Je mehr Beschäftigte von einem solch allgemeinen Recht Gebrauch machen, umso mehr verändern sich Arbeitskulturen und die Selbstverständlichkeit von Bedarfen der Vereinbarkeit. Insofern würde es auch Männern erleichtert, lebensphasenweise ihre Erwerbstätigkeit zu reduzieren, ohne das Risiko beruflicher Nachteile eingehen zu müssen.
Eine durchgängige Erwerbstätigkeit sichert Steuereinnahmen und vermeidet Ausgaben der Sozialversicherungen. Die Betriebe schließlich erhalten sich Ihre Fachkräfte, deren Qualifikationen und Erfahrungen. Lebensphasenorientierte Arbeitszeiten fördern also nicht nur die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, sondern wirken sich darüber hinaus günstig auf volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Belange aus. Eine Erkenntnis aus den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie ist die Gewissheit, dass Arbeitszeiten und -orte sich in Zukunft flexibler an die individuellen Lebensphasen der Beschäftigten, die durch Erziehung, Pflege oder anderweitige Fürsorge geprägt sind, anpassen lassen sollten.

Bezahlte Freistellung für Väter und Co-Mütter nach der Geburt

Der Deutsche Frauenrat fordert die Einführung einer bezahlten Freistellung für Väter und Co-Mütter. Je früher Väter Verantwortung in der Kinderbetreuung übernehmen, desto eher werden sie auf Dauer zu aktiven Vätern. Das tut nicht nur den Kindern gut, sondern befördert auch eine gleichberechtigte Arbeitsteilung in Paarhaushalten. Das wiederum stärkt mittelbar Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit. In der Krise zeigte sich, dass Frauen nach wie vor zuerst zuständig sind und mitunter ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren, wenn Betreuungseinrichtungen schließen. Das muss sich ändern. Wenn sich mehr Väter von Anfang in der Familie engagieren, merken Arbeitgeber*innen: bei Geburt eines Kindes sind auch die Väter zunächst nicht verfügbar.
Eine solche Freistellung soll mindestens zwei Wochen innerhalb der ersten 30 Tage nach der Geburt lang sein und wie das Elterngeld aus Steuermitteln finanziert werden.

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Weiterführende Informationen

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