STELLUNGNAHME DES DEUTSCHEN FRAUENRATS
Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sowie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt und Entwurf einer Satzung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt
Der Deutsche Frauenrat (DF) ist der Dachverband von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen, er vertritt deren 12 Millionen Mitglieder und ist damit die größte frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung in Deutschland. Er engagiert sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Politik und Gesellschaft in Deutschland, in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen. In diesen rund 60 Organisationen sind Frauen aus Berufs-, sozial-, gesellschafts- und frauenrechtspolitischen Verbänden, aus Parteien, Gewerkschaften, aus den Kirchen, aus Sport, Kultur, Medien und Wirtschaft vertreten. Der Großteil dieses Engagements wird ehrenamtlich getragen.
Der DF bedankt sich für die Einladung zur öffentlichen Anhörung und begrüßt das im Gesetzentwurf formulierte Ziel, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Deutschland nachhaltig zu stärken und zu fördern. Ehrenamtliche sind wichtiger Bestandteil der demokratischen Gesellschaft. Verbände und Vereine geben dem ehrenamtlichen Engagement Rahmen, Struktur und Nachhaltigkeit und übernehmen Aufgaben innerhalb der Zivilgesellschaft. Sie sind wichtige Lernorte der Demokratie, bieten persönliche Entwicklungs-, Gestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten. Das ehrenamtliche Engagement von (Frauen-)Verbänden und Vereinen hat somit für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie einen hohen Stellenwert und ist für Staat und Zivilgesellschaft unverzichtbar. Insbesondere in der Engagement- und Ehrenamts-politik ist es notwendig, dass die staatlichen Aktivitäten sich am Prinzip der Subsidiarität orientieren, um dieses selbstorganisierte Ehrenamt und Engagement zu ermöglichen. Für eine Verständigung auf Augenhöhe zwischen den Verbandsspitzen und ihren Gegenübern in Behörden, Politik und Wirtschaft sind Professionalität auf beiden Seiten und unterstützende Strukturen zwingend notwendig.
Gerade Frauen sind aufgrund von Genderstereotypen und strukturellen Arbeitsmarktdiskriminierungen auch im ehrenamtlichen Kontext oft benachteiligt, da sie nach wie vor für die (unbezahlte) Sorge- und Hausarbeit hauptzuständig sind. Sie finden sich deshalb beim ehrenamtlichen Engagement weniger in Leitungsfunktionen und Vorständen wieder. Auch die letzte Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ von 2002 kommt zu dem Schluss „Wenn es um Macht und Einflussnahme, um die Gestaltung und Veränderung von Strukturen in Organisationen geht, sind Frauen weniger beteiligt als Männer“ (Enquete-Kommission 2002, S. 93). Diese Gründe führen zu ungleichen Beteiligungschancen in Gremien, Verbandsarbeit und Politik. Die Ehrenamts- und Engagementstiftung muss die unterschiedlichen Voraussetzungen für Frauen und Männer im Blick haben und Gleichstellung als wichtiges Querschnittsthema betrachten. Der strukturelle Rahmen für ehrenamtliches Engagement muss so gestaltet werden, dass Frauen und Männer gleichermaßen in allen Bereichen und auf allen Ebenen ehrenamtlich tätig sein können. Das muss der Staat ermöglichen und dazu entsprechendeRahmenbedingungen bereitstellen. Jedoch sieht der DF weiterhin eine unzureichende Beteiligung und Mitbestimmung der Zivilgesellschaft und insbesondere der weiblichen Zivilgesellschaft bei der Ausgestaltung der Stiftung.
Folgend nehmen wir Stellung zu:
Der Stiftungszweck soll laut Gesetzentwurf durch Service-Angebote, der Bereitstellung von Informationen bei der Organisationsentwicklung, Vernetzung von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, der Förderung von – insbesondere digitaler – Innovationen, der Stärkung von Strukturen sowie begleitender Forschung erfüllt werden.
Aus Sicht des DF muss der Fokus bei der Erfüllung des Stiftungszwecks dringend auf die Stärkung und Förderung von (vorhandenen) Strukturen gesetzt werden. Für Verbände und Vereine sind verlässliche und kontinuierliche Strukturförderungen und Rahmenbedingungen notwendig. Die Stiftung muss Engagement zudem in jenen Bereichen noch stärker begünstigen, in denen es bislang keine oder nur stark unterfinanzierte Engagementmöglichkeiten gibt. Das im Gesetzentwurf verankerte Ziel, bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Räumen zu fördern und zu stärken, kann aus unserer Sicht nicht gelingen, wenn die Stiftung zu großen Teilen als Service-Agentur oder „Call-Center“ fungieren soll. Service-Angebote, wie Informations-, Beratungs-, und Unterstützungs-leistungen, sind Angebote, die entweder in Verbänden selbst organisiert sind und dafür finanzielle Mittel bereitgestellt werden müssten, da sie spezifische strukturelle Kenntnisse bedürfen, oder in den etablierten Beratungsstellen der Länder und Kommunen organisiert werden müssten, um die lokalen Bedarfe in der Beratung abzudecken. Bundeszentrale Serviceangebote ohne niedrigschwellige Zugänge werden diese Bedarfe nicht erfüllen. Statt des Aufbaus einer Beratungs- und Informationsinstitution, die die einzelnen Strukturen nicht in der Tiefe kennt, müssten die Finanzmittel in bessere Rahmenbedingungen und Strukturförderung investiert werden.
Der DF empfiehlt, dass unter Gesichtspunkten der Subsidiarität die Stärkung und der Aufbau der zivilgesellschaftlichen Infrastruktur im Fokus der Stiftung stehen.
Wie im Gesetzentwurf beschrieben, sollen durch die Errichtung der Stiftung zivilgesellschaftliches Engagement und Ehrenamt Anerkennung und Wertschätzung erhalten.
Aus Sicht des DF ist hierfür eine angemessene Partizipation der Zivilgesellschaft in den Organen der Stiftung unabdingbar. Die im vergangenen Jahr vom BMFSFJ vorgestellte Struktur der Engagementstiftung ließ mit einem Stiftungsrat von 14 Mitgliedern und einem Kuratorium von 25 Mitgliedern eine größere Partizipation zivilgesellschaftlicher Verbände zu, als sie nun im Gesetzentwurf vorgelegt wird. Das Ziel einer „Brücke in die Zivilgesellschaft“, wie 2018 vom BMFSFJ formuliert, kann nur gelingen, wenn die Zivilgesellschaft in die Organe der Stiftung in einem stärkeren Verhältnis zu den staatlichen Sitzen und mit mehr als nur neun Sitzen eingebunden wird. In Deutschland gibt es eine Vielzahl verschiedener Formen von Vereinen. Diese Heterogenität muss ansatzweise in Entscheidungsgremien der Stiftung widergespiegelt werden. Mit ausschließlich neun Sitzen ist dies aus Sicht des DF unzureichend möglich. Der DF sieht kritisch, dass durch die im Gesetzentwurf formulierten Satzungsregelungen die zivilgesellschaftlichen Mitglieder in eine schwache Position geraten würden (z.B. Minderheitenposition im Stiftungsrat, kein Mitspracherecht bei Förderentscheidungen, Vetorecht der Ministerien). Die Beteiligung der Zivilgesellschaft darf nicht zu einer Scheinpartizipation werden. So regen wir an, die Zivilgesellschaft zu gleichen Teilen wie den öffentlichen Sektor im Stiftungsrat zu besetzen. Weiterhin ist aus unserer Sicht zwingend notwendig, dass neben dem Stiftungsrat Fachbeiräte installiert werden, um die Partizipation der Zivilgesellschaft stärker zu ermöglichen.
Grundsätzlich ist für uns nicht klar ersichtlich, welchen Hauptzweck die Stiftung verfolgen soll. Durch die hohe Anzahl an Mitarbeitenden von bis zu 100 Personen und die Ausrichtung auf eine bundeszentrale Service-Stelle/Call-Center ist zu befürchten, dass die finanziellen Ressourcen an den Bedarfen der Ehrenamtlichen und Engagierten in diesem Land vorbei investiert werden. Wir regen an, den Stiftungszweck deutlich in Richtung eines „Infrastruktur stärkenden“ Fokus zu verlagern.
Weiterhin ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft in den Gremien der Stiftung unzureichend: Zum einen ist die quantitative Beteiligung im Vergleich der Vielzahl und Diversität an Verbänden in Deutschland deutlich zu gering und zum anderen ist die Gewichtung zwischen Zivilgesellschaft und dem öffentlichem Sektor ungleich verteilt. So regen wir an, die Zivilgesellschaft zu gleichen Teilen wie den öffentlichen Sektor im Stiftungsrat zu besetzen und Fachbeiräte einzuführen, um eine stärkere Partizipation der Zivilgesellschaft zu ermöglichen.
Strukturelle Rahmenbedingungen und Geschlechterstereotype wirken sich unterschiedlich auf die Aufnahme und Ausführung eines Ehrenamtes aus. Damit einhergehend ergeben sich besonders auch Unterschiede zwischen Frauen und Männern.
Wir freuen uns, dass mit Überarbeitung des Referentenentwurfs die Forderung des DF aufgenommen worden ist, die Gremien der Stiftung geschlechterparitätisch zu besetzen, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern zu sichern. Dennoch müssen geschlechtsspezifische Unterschiede in der weiteren Ausgestaltung und der Themensetzung der Stiftung Berücksichtigung finden.
Stellungnahme Deutscher Frauenrat Anhörung Engagementstiftung