Der diesjährige Internationale Frauentag wird überall auf der Welt von hohen Erwartungen begleitet: In New York steht die Sitzung der UN-Frauenrechtskommission ganz im Zeichen von Peking+25. Dort wurde 1995 eine Erklärung verabschiedet und eine Aktionsplattform beschlossen, die bis heute einer der wichtigsten internationalen Bezugsrahmen für Frauenrechte ist. Die EU-Kommission hat gestern ihre neue Strategie zur Gleichstellung von Frauen und Männern vorgestellt, und in Deutschland rief Bundesfrauenministerin Giffey 2020 zum Jahr der Gleichstellung aus.
Diesem Optimismus aber laufen gesellschaftliche und politische Entwicklungen weltweit entgegen. Überall wird ein „Pushback“ von Frauen- und Menschenrechten beklagt, der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Akteur*innen wird kleiner. Überall verliert die freiheitliche Demokratie an Ansehen und an Terrain. Überall haben ihr autoritäre Führer und deren Bewegungen den Kampf angesagt. Gewaltorientierte, mit zerstörerischer Selbstüberschätzung infizierte Männlichkeit formiert sich neu. Ihre Zerstörungslust speist sich aus national-chauvinistischen, rassistischen Ressentiments – und immer aus Frauenfeindlichkeit. Denn sie ist vom Wahn männlicher Überlegenheit beherrscht. Das zeigte sich auch im jüngsten rechtsterroristischen Anschlag in Hanau. Diese Ressentiments verbreiten sich mit rasanter Geschwindigkeit nicht nur im Netz. Sie vergiften unsere Gesellschaften. Sie spielen hinein in die Diskurse um „Gender“, um Familiennormen und Lebensformen, um sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung, um geschlechtsspezifische Gewalt, um paritätische Teilhabe bei der Gestaltung unserer Gesellschaft. Und sie potenzieren die Gefahren für Verteidiger*innen von Demokratie und Menschenrechten im öffentlichen und virtuellen Raum.
Der antidemokratische, menschenfeindliche Diskurs verschiebt die Grenzen des politisch Sag- und Machbaren weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Der Provinzpolitiker, der sich mit den Stimmen von Faschisten in Thüringen zum Ministerpräsidenten wählen ließ, wurde vom Ausgang der Abstimmung „übermannt“. So hieß es später zu seiner Entlastung. Offenbar wurde er wider jede politische Ethik und Vernunft von seiner neuen Bedeutsamkeit überwältigt. Derartige „Übermannung“, im Machtrausch, erleben wir immer häufiger. Sie bringt die Demokratie in Gefahr – und letztlich unser aller Leib und Leben.
Wie können wir uns vor dieser „Übermannung“ zukünftig schützen? Nur mit einem neuen Bündnis der Demokratie. Dieses Bündnis muss auf der Gleichwertigkeit und der Gleichberechtigung aller beruhen, sie muss alle Spaltungsversuche in ein „Wir“ und „die anderen“, in Menschen mit mehr Rechten und anderen mit weniger kategorisch zurückweisen. Dieses Bündnis muss über politische Differenzen hinweg eine Offensive gegen die Demokratiezerstörer*innen starten: in den Parlamenten und allen anderen Institutionen des Rechtsstaats, in den Medien, der Wissenschaft, in der Zivilgesellschaft und auf der Straße. Frauenrechtsverteidigerinnen und Frauenbewegungen spielen in diesem Bündnis eine tragende Rolle. Denn sie kämpfen seit jeher gegen zerstörerische Männlichkeit und für ein friedliches und gleichwertiges Miteinander. Generell sind Frauen weniger anfällig für extremistische Positionen, wie die jüngsten Wahlen in Hamburg einmal mehr bestätigten. Geschlechtergerechtigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für eine freiheitliche Demokratie. Sie schützt vor patriarchalen „Pushbacks“ und vor Extremismus.