Rechtspopulismus und Antifeminismus bedrohen hart erkämpfte Frauenrechte. Mögliche Strategien für eine demokratische Gesellschaft diskutierten am 23. Juni 2017 auf Einladung des Deutschen Frauenrats rund 130 Gäste in Berlin-Mitte. Unter #dfdemo wurde ein reger Diskurs geführt, an dem sich auch die ZuschauerInnen des Livestreams beteiligten. „Eine freiheitliche Demokratie ist die beste Freundin einer Frau“, eröffnete DF-Vorsitzende Mona Küppers den Tag.
Den thematischen und praktischen Einstieg übernahmen Vertreterinnen der Mitgliedsverbände des Deutschen Frauenrats, die aus ihrem Arbeitsalltag und den Berührungspunkten mit Rechtspopulismus und Antifeminismus berichteten. Jutta Kühl vom Deutschen Hebammenverband distanzierte sich ausdrücklich von rechtspopulistischen Tendenzen und stellte klar: „Hebammen gewähren allen Frauen die für sie notwendige Hilfe, ohne Ausnahme.“ „Wir zeigen klare Kante gegen Rechts“, schloss sich Sandra Schlee vom Bund der Deutschen Landjugend an. In ihrer Arbeit versuche die Landjugend, eine Werteheimat zu geben und bei der Wertebildung zu begleiten. Von ihren Berührungspunkten mit Antifeminismus berichtete Katrin Rönicke für den Journalistinnenbund: „Unsere Arbeit wird in Frage gestellt – einfach, weil wir weiblich sind und weil wir feministisch sind“, erklärte sie die vielen Anfeindungen, denen Journalistinnen ausgesetzt sind, die sich emanzipatorisch äußern. Für den Bund der Katholischen Jugend veranschaulichte Lisi Maier, warum katholischer Glaube und Rechtspopulismus nicht zusammen passen: „Wir möchten in einer Gesellschaft leben, die Vielfalt als Wert begreift“, sagte die Bundesvorsitzende. „Wichtig ist die Vernetzung“, fasste Dr. Anja Nordmann, Geschäftsführerin des DF und Moderatorin des Tages, die Gesprächsrunde zusammen.
Für einen Perspektivwechsel und das Verständnis von Fremdheit als Basis von Menschlichkeit plädierte Prof. Dr. Christine Thürmer-Rohr in ihrem Beitrag „Ich verstehe die Welt nicht mehr – Das Eigene und das Fremde!. Ihre philosophische Analyse: Rechtspopulismus stehe für die Angst vor der Unordnung, der Begriff Gender symbolisiert Vielfalt, Vielfalt bedeutet Individualismus und Individualismus bedroht Ordnung und Regeln – und damit Orientierung. „Wir können uns die Welt nicht aussuchen, aber wir können uns für ein politisches Denken entscheiden, das alle Menschen mitdenkt.“
Von der weltweiten Rückkehr des Pronatalismus – einer Philosophie, die die menschliche Reproduktion befürwortet – berichtete Prof. Dr. Shalini Randeria, Rektorin des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (OWM Wien). Sie sprach über die globalen Verrottung rechtspopulistischer Demografiedebatten und von Rückschritten im Kampf für reproduktive Rechte. Ihre Empfehlung: „Das feministische Anliegen sollte reproduktive Autonomie sein.“
Über die Scharnierfunktion des Antifeminismus zwischen Rechts und Mitte sprach Judith Goetz. „In den letzten Jahren gab es einen Wandel vom männerzentrierten zum familienzentrierten Antifeminismus“, stellte die Politologin fest und zeigte auf, wie AntifeministInnen Begriffe besetzen und umdeuten, so wird zum Beispiel „Menschlichkeit zum Gutmenschentum“. Antifeminismus fungiere oft als kleinster gemeinsamer Nenner zwischen verschiedenen AkteurInnen aus unterschiedlichen politischen Richtungen. „Wir sollten wieder mehr auf feministische Gesellschaftsvisionen setzen, nicht nur den Status Quo kritisieren“, betonte Goetz.
Auf dem Abschlusspodium wurden die Analysen der Expertinnen diskutiert und Strategien formuliert. Justus Bender, Journalist und Autor des Buchs „Was will die AfD?“ empfahl für den Umgang: „Die AfD lebt vom idealistischen Diskurs. Will man sie zum Schwitzen bringen, muss man Fragen zur Realität stellen“. Ilona Motyka, Aktivistin in Polen (BABA), schickte einen Gruß aus der Zukunft: „Wie es bei uns ist, könnte es bei euch auch werden“, mahnte sie und schickte damit einen Aufruf an Politik und Zivilgesellschaft, sich für Frauenrechte einzusetzen: „Geht wählen!“ Kristy Augustin (CDU) bestätigte das, indem sie auf Wahlanalysen verwies, die zeigen, dass Frauen wahlentscheidend sein können. Dr. Eva Högl (SPD) führte weiter: „Es reicht nicht, aufzufordern, wählen zu gehen, sondern damit zu verknüpfen, wofür.“ Petra Pau (DIE LINKE) ergänzte: „Es geht um Medienkompetenz und noch viel mehr darum, was wir alle lernen müssen, damit unsere Inhalte ankommen.“ Auch Gesine Agena, Frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen schloss sich dem Wunsch nach gelingender Kommunikation an: „Es geht beim Feminismus um gleiche Rechte für alle. Das müssen wir kommunizieren.“
Immer wieder wurde an diesem Konferenztag deutlich, dass die Bedrohung von Frauenrechten real ist und thematisiert werden muss. Dabei darf Feminismus soziale Fragen nicht vernachlässigen. Alle ExpertInnen waren sich einig, dass es darum gehen müsse, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, denn: Frauen entscheiden Wahlen.
Im Anschluss an die Fachveranstaltung hat die Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats die Resolution „Aktiv für Demokratie und Frauenrechte!“ verabschiedet – und damit Theorie und politische Praxis miteinander verknüpft: Der Deutsche Frauenrat steht mit seinen 60 Mitgliedsorganisationen für vielfältige Lebensweisen von Frauen. Rechtspopulismus und Antifeminismus bedrohen hart erkämpfte Frauenrechte. Wird die Freiheit von Frauen in Frage gestellt, so wird die freiheitliche Demokratie angegriffen. Wir erwarten von der Politik, Rechtspopulismus rechtzeitig als Gefahr für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erkenne und fordern zu entschlossener Gegenwehr auf.
Hier lesen Sie die Resolution in voller Länge.
Alle Fotos: DF / Kerstin Müller
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