Vor über einem Jahr erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Festveranstaltung zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“: „Das Ziel muss Parität sein, Parität überall.“ Wenige Monate später verabschiedeten die Parlamente in Brandenburg (Regierung: SPD/Linke) und Thüringen (Regierung: Linke/SPD/Grüne) die ersten Paritätsgesetze in Deutschland. Bei den nächsten Landtagswahlen müssen dort alle Parteien mit paritätisch besetzten Listen antreten. Ein großer Erfolg für die vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen und politischen Akteur*innen, die sich seit über zehn Jahren für Paritätsgesetze in Deutschland stark machen.
Heute trafen sich Abgeordnete der Landtage und des Bundestags sowie Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Einladung von EAF Berlin und Deutschem Frauenrat, um zu beratschlagen, wie das Thema Paritätsgesetze vorangetrieben werden kann. Denn die Zeit drängt: Mit jeder Land- und Bundestagswahl (Ausnahme Hessen) verringerte sich zuletzt der Frauenanteil im Parlament. Gleichzeitig öffnet sich mit der anstehenden Wahlrechtsreform auch ein Zeitfenster, um ein Paritätsgesetz für den Bundestag zu verabschieden.
„Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung. Ihr Fehlen in den Parlamenten ist ein Defizit unserer Demokratie, die unter dem historischen Ausschluss von Frauen entstand. Es ist an der Zeit, diesen Missstand zu beenden. Deswegen muss das Ziel Parität sein und zwar auf alle Ebenen der Politik: Bundestag, Landtage und Kommunen“, so EAF Berlin Vorsitzende Helga Lukoschat in ihrer Einführung.
Im anschließenden Podiumsgespräch berichteten Dirk Adams (MdL, Bündnis 90/Die Grünen Thüringen) und Klara Geywitz, (MdL a.D., SPD Brandenburg), welche Faktoren für die Einführung von Paritätsgesetze in ihren Bundesländern entscheidend sind.
Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin a. D. und Vorstandsmitglied des Deutschen Frauenrats stellte verschiedene Paritätsmodelle, wobei sie unterstrich: „Parität ist vor allem eine Frage des politischen Wollens. Paritätisch besetzte Wahllisten allein werden nicht zum Ziel führen. Wir müssen daher dringend auch eine Lösung für die Direktmandate in den Wahlkreisen zu finden.“
Dr. Christine Hohmann-Dennhardt, Bundesverfassungsrichterin a. D. nahm zur verfassungsrechtlichen Debatte um Parität Stellung. Sie machte deutlich, dass die Einführung von Paritätsgesetzen mit dem Gleichstellungsauftrag aus Art. 3.2 GG zu rechtfertigen ist.
Einen Überblick über den Stand der Debatte im Bundestag gaben abschließend die Abgeordneten Nicole Bauer (FDP), Yvonne Magwas (CDU/CSU), Josephine Ortleb (SPD), Cornelia Möhring (Die LINKE) und Ulle Schauws (Bündnis 90/Die Grünen). Sie sind sich einig, dass Parität im Zuge der Wahlrechtsreform diskutiert werden muss. „Wir werden den überfraktionellen Austausch weiter fortführen.“
Das Länderforum zeigte: Erste Schritte auf dem weiten Weg zu tatsächlicher Parität in der Politik sind erfolgt. Doch neben der Gesetzgebung muss sich auch die politische Kultur ändern. Das gilt vor allem auch für die kommunale Ebene, die den niedrigsten Frauenanteil in Ämtern und Mandaten aufweist.
Mit dem Helene Weber Kolleg hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Einrichtung geschafften, die Frauen in der Politik parteiübergreifend durch Schaffung von Sichtbarkeit, Netzwerken und Mentoringprogrammen unterstützt. Das Länderforum Parität wurde im Rahmen des Helene Weber Kollegs vom BMFSFJ gefördert.
Alle Fotos: EAF / Kristoffer Schwetje