Der ökologische Umbau von Wirtschaft und Arbeitswelt ist nicht nur ein technischer Umstellungsprozess, er verändert die Produktionsweisen ganzer Branchen von Grund auf und hat Auswirkungen auf die Beschäftigung von Frauen. Eine feministische Perspektive auf diesem Feld fehlt aktuell, ist aber entscheidend für einen geschlechtergerechten Transformationsprozess.
Eine Schlüsselrolle beim ökologischen Umbau hat die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft. Mit dem angestrebten Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom wird ein verstärkter Ausbau der erneuerbaren Energien zwingend erforderlich.[i] Für den Energiesektor fehlen nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten zu Beschäftigtenzahlen und Auswirkungen in den betroffenen Regionen auf die Geschlechter.
Durch Umstellungsprozesse in Produktion und Verwaltung entstehen neue Arbeitsanforderungen, die kaum vom gleichzeitig voranschreitenden Prozess der Digitalisierung zu trennen sind. Erkennbar ist bereits, dass der Digitalisierungsprozess Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt senkt[ii] und insbesondere in Teilzeit arbeitende Frauen abgehängt werden („Gender Part-Time Digital Gap“).[iii] Diese Beobachtung korreliert mit Erkenntnissen zur betrieblichen Weiterbildung: Frauen erhalten weniger betriebliche Unterstützung in Form von Kostenübernahmen und Freistellungen, ihre Teilnahmequote liegt unter der von Männern und das Stundenvolumen ihrer Weiterbildungen ist geringer.[iv] Dies zeigt, dass es notwendig ist, im Transformationsprozess die Geschlechterperspektive in den Blick zu nehmen und die Arbeitszeitdebatte mit dem Ziel einer gleichberechtigten Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit voranzutreiben.
Nachhaltigkeit, Tarifbindung, Mitbestimmung und Gleichstellung gelten als zentrale Elemente moderner Unternehmensführung. In tarifgebundenen Unternehmen sind die Löhne höher und die Arbeitszeiten geringer, aber auch von der Planbarkeit und Sicherheit der Tarifbindung profitieren Frauen in besonderem Maße.[v] Eine Stärkung der Unternehmensmitbestimmung hat positive Effekte auf die Nachhaltigkeit, denn sie spielt in den täglichen Entscheidungen mitbestimmter Unternehmen eine deutlich größere Rolle als in denen mit weniger ausgeprägter Mitbestimmung.[vi]
Zukunftsweisende Branchen expandieren vor allem in der Energieproduktion. Bestehende Gesetze zur Förderung der Gleichstellung, wie das Entgelttransparenzgesetz oder Führungspositionengesetz, greifen erst ab einer bestimmten Betriebsgröße und senden das falsche Signal, Entgeltgleichheit und verbindliche Vorgaben zum Frauenanteil in Führungspositionen seien lediglich in größeren Unternehmen relevant. Das birgt die Gefahr einer Unterrepräsentanz von Frauen in den Bereichen „Green Jobs“ und „Green Technology“ auf allen Hierarchieebenen dieser Unternehmen.
Frauen sind in MINT-Berufen nach wie vor unterrepräsentiert. Frauen, die ein MINT-Fach studiert haben, ergreifen deutlich seltener als Männer einen entsprechenden Beruf.[vii] Der Transformationsprozess bietet die Chance, im MINT-Bereich den Fokus auf den Klimaschutz und die Arbeit in einem gesellschaftlich relevanten und zukunftsweisenden Sektor zu richten, um Frauen für die Berufe zu gewinnen. Neue Ausbildungs- und Beschäftigungsfelder sollten geschlechtsneutral konzipiert und benannt werden.
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft ist unerlässlich für den nachhaltigen Erfolg wirtschaftlichen Handelns und auch für das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens.
Die Überwindung der Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern gewinnt im Zuge des Transformationsprozesses ebenfalls an Bedeutung, denn nur eine gerechtere Einkommensverteilung fördert den Konsum (aktuell noch hochpreisiger) klimaneutraler und fair produzierter Produkte. Da Frauen eher bereit sind für solche Produkte mehr zu bezahlen,[viii] können ihre Konsumentscheidungen positive Auswirkungen auf den Klimaschutz haben.
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[i] Abschlussbericht der Kohlekommission (2019): Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 6.
[ii] Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2021):
Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten. Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der
Bundesregierung. Berlin: Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, www.dritter-gleichstellungsbericht.de/gutachten3gleichstellungsbericht.pdf, (Abruf 3.3.2023).
[iii] Lott, Yvonne (2023): Der Gender Digital Gap in Transformation? WSI Report Nr. 81, Februar 2023.
[iv] Rüber, Ina E./ Widany, Sarah (2021): Gleichstellung durch Weiterbildung in einer digitalisierten Gesellschaft. Expertise für den dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung -Leibniz Institut für lebenslanges Lernen e.V., S. 21 ff.
[v] Lübker, Malte/ Schulten, Thorsten (2023): Tarifbindung in den Bundesändern. Entwicklungslinien und Auswirkungen auf die Beschäftigten, Analyse zur Tarifpolitik Nr. 96: 6).
[vi] Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) (2018): Mitbestimmung und eine zukunftsweisende Unternehmensführung. Messung von Stärke und Einfluss durch einen Mitbestimmungsindex (MB-ix), S. 11.
[vii] IAB-Forum, Serie „Frauen in MINT-Berufen (2022): Should I stay or should I go? Frauen arbeiten nach einem MINT-Studium seltener in einem MINT-Beruf als Männer, https://www.iab-forum.de/should-i-stay-or-should-i-go-frauen-arbeiten-nach-einem-mint-studium-seltener-in-einem-mint-beruf-als-maenner/, (Abruf 17.03.2022).
[viii] Röhr, Ulrike/ Alber, Gotelind/ Göldner, Lisa (2018), a.a.O., S. 52 f.