Seit über 40 Jahren kämpfen Frauen für Veränderungen in der primär an männlichen
Probanden und Patienten ausgerichteten medizinischen Forschung und gesundheitlichen
Versorgung. Trotzdem finden sich geschlechtsspezifische Unterscheidungen weder ausreichend in der Forschung noch in der Versorgung wieder. Deshalb ist es dringend notwendig, wissenschaftliche Erkenntnisse in Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie die Gesunderhaltung von Mädchen und Frauen in besonderen physiologischen Lebenslagen und -abschnitten zu berücksichtigen. Medikamente können aufgrund physiologischer Parameter bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken. Dennoch findet Pharmakologie- und Grundlagenforschung meist an männlichen Versuchstieren bzw. Probanden statt. Eine geschlechterspezifische Betrachtungsweise wird kaum als Vorbedingung für Forschungsvorhaben erwähnt oder gefordert, entsprechende Vorgaben für deren finanzielle Förderung fehlen.
Im Rahmen der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden die analogen gesundheitsspezifischen Daten mit oft fehlenden geschlechtsspezifischen Grundlagen verwendet und durch Algorithmen verarbeitet. Wenn bei der Übernahme der Daten nicht explizit auf geschlechtsspezifische Unterschiede und Ergebnisse geachtet wird, wird der Status Quo erhalten bzw. verschärft sich der bestehende Gender Gap für die Zukunft. Die Nichtbeachtung des biologischen Geschlechtes bei Krankheitssymptomen, bei der Diagnostik und Behandlung beinhaltet für Frauen oft die Gefahr von Fehl-, Unter- und Überbehandlungen mit gesundheitlichen Nachteilen für die Betroffenen bis hin zum Tod. Auch die Salutogenese muss stärker in den Fokus gerückt werden. Werden geschlechtsspezifische Aspekte nicht frühzeitig berücksichtigt, entstehen unnötige Kosten im Gesundheitswesen.
Für die Betrachtung einer geschlechtergerechten Gesundheitsversorgung muss neben dem biologischen Geschlecht (engl.: Sex) auch das soziologische Geschlecht (engl.: Gender) einbezogen werden. Hier gilt es, auch die Auswirkungen von Rollenstereotypen sowohl bei Krankheit, aber auch bei Gesundheit und präventivem Verhalten mit einzubeziehen. Mit zunehmender Sensibilisierung für intersektionale Verschränkungen verschiedener Diskriminierungsformen geht auch eine differenzierte Betrachtung von Gesundheit und Krankheit unter Einbezug der Faktoren wie geschlechtliche Identität, Alter, sexuelle Orientierung, soziale Lage, physische und psychische Beeinträchtigung sowie Ausgrenzungserfahrung und Migrationshintergrund einher. Weiterhin sind die gesundheitlichen Folgen von Gewalt insbesondere gegen Frauen, einzubeziehen. Der Deutsche Frauenrat als Interessenvertretung der Frauen muss deshalb eine geschlechtersensible und barrierefreie Gesundheitsversorgung einfordern, die Intersektionalität berücksichtigt.
[x] Politisches Hearing
[x] Öffentliche Veranstaltung
[x] Fachausschuss
[x] Publikation
keine
6/2024 – 6/2026