Vor dem 30-jährigen Jubiläum der Aktionsplattform von Peking legt die Bundesregierung bei den Vereinten Nationen Rechenschaft ab. Der Deutsche Frauenrat begleitet die Umsetzung der Aktionsplattform und übt Kritik an schleppendem Fortschritt.
Die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking stellte einen Meilenstein für Frauenrechte dar. 189 Staaten verabschiedeten 1995 einen Katalog zukunftsweisender Gleichstellungsmaßnahmen in 12 Aktionsfeldern. Seit damals legen die unterzeichnenden Regierungen alle fünf Jahre Rechenschaft ab und ermöglichen der Zivilgesellschaft die Umsetzung der Aktionsplattform kritisch zu begleiten. Die Bundesregierung hat nun den Bericht zur Aktionsplattform von Peking für 2000-2024 öffentlich gemacht. In ihm werden sowohl wichtige Fortschritte als auch der Umsetzungsstau der Ampel-Koalition im Gleichstellungsbereich deutlich. Staatssekretärin Ekin Deligöz stellte Deutschlands Umsetzungsstand im Rahmen eines regionalen Austauschs am 21. und 22. Oktober bei den Vereinten Nationen in Genf vor. Für den Deutschen Frauenrat begleitete Vorstandsfrau Susanne Maier den Austausch in Genf als Teil der Regierungsdelegation.
Die Bundesregierung nennt gegenüber den Vereinten Nationen in ihrem Bericht unter anderem die hier folgenden Prioritäten und Erfolge in der Umsetzung der Aktionsplattform von Peking für die Jahre 2000 bis 2024.
Im Bereich Gewaltschutz wurde mit dem Bundesinvestitionsprogramm seit 2019 der Ausbau der Frauenunterstützungsstruktur – auch barrierearm – ermöglicht. 2022 nahm die unabhängige Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt ihre Arbeit auf. Die ILO-Konvention 190 trat im Juli 2024 in Kraft und soll Frauen am Arbeitsplatz besser schützen. Um Sexismus und sexuelle Belästigung in allen gesellschaftlichen Bereichen anzugehen, gründete das Familienministerin 2023 das Bündnis gegen Sexismus, dem inzwischen über 700 Institutionen angehören.
Um die Versorgung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt zu verbessern, hebt der Bericht hervor, dass es 2022 gelungen ist, den Paragraf 219a abzuschaffen und 2024 ein Gesetz gegen Gehsteigbelästigungen auf den Weg zu bringen.
Mit dem Gute-Kita-Gesetz bzw. den Kita-Qualitätsgesetzen und den Investitionsprogrammen „Kinderbetreuungsfinanzierung“ setzt der Bund die finanzielle Beteiligung bei Ausbau und Qualität von Kitas fort und erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Pflegestudiumstärkungsgesetz, das den frauendominierten Beruf seit Ende 2023 aufwerten soll, wird als eine Maßnahme zur Stärkung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt genannt. Das Führungspositionengesetz II stärkt seit 2021 den Anteil von Frauen in wirtschaftlichen Machtpositionen.
Im Bereich der institutionellen Mechanismen zur Frauenförderung führt die Bundesregierung neben der Gleichstellungsstrategie von 2020 unter anderem an, dass die Bundesstiftung Gleichstellung 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat, um die strukturelle Gleichstellungspolitik voranzubringen.
Die UN fragen explizit nach Maßnahmen, die die Aktionsplattform für besonders marginalisierte Gruppen von Frauen voranbringen. Hier hebt die Bundesregierung für die vergangenen fünf Jahre die Förderung verschiedener Projekte von DaMigra und Weibernetz hervor. Als großer Erfolg gilt ihr der erste Aktionsplan „Queer Leben“. Daneben führt sie die Verschärfung des Strafrechts zur Bekämpfung von Hasskriminalität sowie das Selbstbestimmungsgesetz als echten Wendepunkt für trans* Personen an.
Als Meilensteine in der Förderung der internationalen Gleichstellungspolitik gelten die Leitlinien für eine feministische Außenpolitik und die Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik. Auch auf europäischer Ebene wurden wichtige Fortschritte erreicht, die zum Teil noch in nationale Gesetzgebung umzusetzen sind. Dazu gehören die Entgelttransparenz- und die Führungspositionen-Richtlinie sowie die Standards für Gleichstellungsstellen. Nicht genannt wird die EU-Gewaltschutzrichtlinie, die aber auch in den Berichtszeitraum fällt.
Wie die Bundesregierung angibt, sah sich die deutsche Gleichstellungspolitik der vergangenen fünf Jahre mit großen Herausforderungen konfrontiert – einerseits durch die Covid-Pandemie und andererseits durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen. Doch äußere Faktoren können aus Sicht des Deutschen Frauenrats nicht allein für den Umsetzungsstau verantwortlich gemacht werden, der auch in den als prioritär bezeichneten Bereichen besteht.
So macht der Bericht deutlich, dass obwohl offizielle Zahlen zu Partnerschaftsgewalt ansteigen, entscheidende Maßnahmen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention weiter ausbleiben. Dazu gehört aus Perspektive des DF der weitere Ausbau und die Finanzierung der Unterstützungsstruktur, die auch zur Umsetzung der EU-Gewaltschutzrichtlinie zählen. Weiterhin wurde die Strategie der Bundesregierung gegen Gewalt noch nicht verabschiedet. Auch das Gesetz gegen digitale Gewalt lässt auf sich warten.
Im Bereich der Frauengesundheit wird die Arbeit der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin als Errungenschaft genannt. Deren nachhaltiger Fortschrittsgehalt wird sich jedoch erst an politischen Initiativen messen lassen, die bislang ausbleiben.
Trotz der großen Sorge- und Lohnlücke zwischen den Geschlechtern stehen sowohl die Einführung der Familienstartzeit als auch die Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes zur Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie und der EU-Entgelttransparenzrichtlinie weiter aus.
Als wichtiger institutioneller Mechanismus wurde zwar 2020 eine erste Gleichstellungstrategie eingeführt, die aktuelle Regierung hat diese jedoch trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag nicht auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung weiterentwickelt und mit verbindlichen Maßnahmen hinterlegt. Auch die gesetzliche Verankerung eines konsequenten Gender Impact Assessment (Gleichstellungscheck) und des Gender Budgetings fehlen weiterhin. Beim Gender Budgeting sind Fortschritte nur bei der feministischen Außen- und Entwicklungspolitik auszumachen. Hier wurden mit den Haushaltskürzungen jedoch de facto Fortschritte wieder zunichte gemacht. Aus Perspektive des DF wiegen Haushaltskürzungen in der Gleichstellungspolitik – ob national oder international – angesichts des Erstarkens von antifeministischen Bewegungen und Netzwerken in den vergangenen Jahren besonders schwer.
Mit Blick auf die Gleichstellung besonders marginalisierter Frauen zeigt die Überprüfung der UN-Behindertenrechtskommission, wie weit Deutschland hinter den menschenrechtlichen Vorgaben zurückbleibt. Im Bericht zur Pekinger Aktionsplattform erklärt die Bundesregierung selbst, dass bspw. der Gewaltschutz von Frauen mit Behinderungen unzureichend ist. Insgesamt fehlte es aus Perspektive des DF in den vergangen fünf Jahren an strukturellen Maßnahmen zur Förderung von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen, von Frauen mit Migrationsgeschichte oder von älteren Frauen.
Die Bundesregierung kündigte an, dass die 2020er Jahre das Jahrzehnt der Gleichstellung werden sollten. Zum 30-jährigen Jubiläum im Herbst 2025 läuft nicht nur die Legislaturperiode, sondern auch die erste Hälfte dieses versprochenen Jahrzehnts der Gleichstellung ab. Im Bericht zur Umsetzung der Aktionsplattform von Peking fällt auf, dass insbesondere die genannten strukturellen Fortschritte noch unter der großen Koalition auf den Weg gebracht wurden. Viele genannte prioritäre Maßnahmen sind ein Jahr vor Ende der Legislatur noch in Planung.
Deshalb begleitet der Deutsche Frauenrat die Umsetzung der Aktionsplattform weiter eng und beteiligte sich im Vorfeld des UN-Regionalforums in Genf an den zivilgesellschaftlichen Konsultationen. Deren Ergebnisse fließen in den regionalen Austausch und den Bericht an die UN-Frauenrechtskommission ein.
Auf Bundesebene laden Deutscher Frauenrat und UN Women Deutschland am 6.12.2024 zu einem Dialogforum zu Peking+30 und die kommende 69. Sitzung der UN-Frauenrechtskommission im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein. Dort stellt die Regierung den Bericht zu Peking +30 der deutschen Zivilgesellschaft vor. DF und UN Women Deutschland informieren zudem über die 69. UN-Frauenrechtskommission, die auch im Zeichen des Jubiläums stehen wird.