Mit einem Aufruf zum Zusammenhalt Europas ist die Mitgliederversammlung 2018 des Deutschen Frauenrats am 24. Juni 2018 in Berlin zu Ende gegangen. Zwei Tage lang diskutierten die rund 140 Teilnehmerinnen aktuelle Herausforderungen, legten die politischen Schwerpunkte für die kommenden Jahre fest und wählten neue Vertreterinnen in den Vorstand.
In ihrem Grußwort hob die neue Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey die Bedeutung des DF als größte frauenpolitische Interessenvertretung in Deutschland hervor. Der DF sei damit einer der wichtigsten Partner ihres Ministeriums. Daran wolle auch sie festhalten. „Wir können alles, wenn wir uns zusammentun, daher bin ich hier am richtigen Ort“, sagte Giffey zu den Delegierten.
In ihrer Grundsatzrede drückte die DF-Vorsitzende Mona Küppers Sorge über die Zukunft der Gleichstellungspolitik aus: „Bei der Lohngerechtigkeit, der Frauenquote für Führungskräfte oder der Reform des Ehegattensplittings droht Stillstand. Auch die Forderung nach Parität oder nach einem geschlechtergerechten Haushalt haben aktuell wenig Perspektive. Wir sind politisch auf harte Jahre eingestellt.“ Sie betonte aber auch: „Am DF kommt niemand vorbei, wenn es um Frauenrechte und gleichberechtigte Teilhabe geht. Das ist unsere Vision, und wir sind auf einem guten Weg dahin.“
Die Mitgliederversammlung 2018 fordert u.a.: die Abschaffung des §219a StGB, eine Wahlrechtsänderung zur Parität, eine Ausweitung der Quote sowohl für die Privatwirtschaft als auch für andere gesellschaftliche Bereiche, eine Aufhebung gesetzlicher Kopftuchverbote zur Sicherung der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und die gesetzliche Verankerung einer Bundesstiftung für eine gerechte Partizipation von Frauen in Gesellschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Außerdem spricht sich die Frauenlobby gegen die Kontingentlösung beim Familiennachzug von subsidiär Geschützten aus und fordert einen individuellen Rechtsanspruch.
Folgende fünf Themen und -komplexe werden für den DF in den kommenden Jahren im Fokus stehen: Ehrenamt sichern, fördern und aufwerten, Parität in Parlamenten und Politik, Aufwertung und Umverteilung von Sorgearbeit, Digitale Transformation und die Auswirkungen auf die Lebensbereiche von Frauen, Gleichstellung in Europa – Wahlen 2019.
Ein weiterer Höhepunkt der Mitgliederversammlung war die Debatte über Geschlechtervielfalt – ein Auftrag aus dem vergangenen Jahr. Dabei stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, mit welchem Verständnis von Geschlecht(ern) die Lobby „Frauen“interessen vertritt. Wer gemeint ist – und wer (bislang) nicht. Und wie sich dieses Verständnis in der Sprache reflektieren soll. Dazu gab es auf der Mitgliederversammlung eine lehrreiche Stunde. Prof. Dr. Luise Pusch, die vor Jahrzehnten die feministische Linguistik in die deutschsprachige Frauenbewegung eingeführt hat und mit Veröffentlichungen wie „Das Deutsche als Männersprache“ (1984) oder „Alle Menschen werden Schwestern“ (1990) Generationen von Feministinnen geprägt hat, erläuterte, warum sie auch heute noch für das Binnen-I, als „erfolgreiche historische Errungenschaft“ und gegen den Genderstern und den Gender-Gap in der Schriftsprache ist.
Prof. Dr. Sabine Hark, Leiterin des Zentrums für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin, sprach über die soziale Konstruktion von Geschlecht. Zweigeschlechtlichkeit sei eine politische Definition, „Frau“ eine relevante politische Kategorie. Der Feminismus stecke im Dilemma, dass er diese politische Differenz einerseits dramatisieren müsse, die er andererseits überwinden wolle. Hark betonte, dass es erfreulich und wichtig sei, dass die größte Frauenlobby sich diesem Thema stellt und damit seine Relevanz anerkennt. Es komme vor allem darauf an, die Kategorie Geschlecht und den Begriff „Frau“ offen zu halten für alle, die sich dadurch vertreten fühlten.
Lucie Veith vom Verein Intersexuelle Menschen kritisierte Zweigeschlechtlichkeit als eine Missachtung des Individuums. „Es gibt keine grundrechtliche Basis für Zweigeschlechtlichkeit, sie entspricht nicht der Wirklichkeit, sie ist eine Missachtung der Menschlichkeit“, so Veith und schilderte die groben Menschenrechtsverletzungen, die an ihr selbst und anderen intersexuellen Menschen bis heute begangen würden. Im Übrigen, so Veith, würden 90 Prozent aller Intersexuellen bis heute mit dem Personenstand „weiblich“ sozialisiert, seien also durch den DF durchaus zu vertreten.
Mit Ursula Braunewell (Deutscher LandFrauenverband) Elke Ferner (Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen), Anja Weusthoff (Deutscher Gewerkschaftsbund), ziehen drei neue Fachausschussleiterinnen als Mitglieder in das DF Führungsgremium ein. Carla Neisse-Hommelsheim (CDU Frauen Union), die bisher den Fachausschuss „Flucht und Integration“ leitete, der seine Arbeit beendete, übernimmt die Leitung des Schwerpunkts „Gleichstellung in Europa – Wahlen 2019“, Birte Siemonsen (Business and Professional Women, Germany) behält die Leitung des Fachausschusses „Digitale Transformation“.
Als neues Mitglied wurde Digital Media Women e. V. (#DMW) in den DF aufgenommen, ein Netzwerk, das für die Sichtbarkeit von Frauen auf allen Bühnen arbeitet. Die Frauenlobby zählt damit aktuell 60 Mitgliedsverbände.
Zusammenstellung aller Beschlüsse
Alle Vorstandsmitglieder und ihre Funktionen
Resolution „Europa zusammenhalten – Solidarität, Gleichberechtigung und Menschenrechte stärken“
Alle Fotos: HC Plambeck