Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine leisten Frauen entschiedenen Widerstand in der Landesverteidigung und humanitären Selbsthilfe. Der Deutsche Frauenrat fordert, sie als gleichberechtigte Akteurinnen in der humanitären Hilfe, bei der politischen Strategiebildung, bei Verhandlungen und im Wiederaufbau anzuerkennen, zu stärken und einzubinden. Denn UN-Analysen weisen derzeit darauf hin, dass Frauen von Entscheidungsprozessen häufig ausgeschlossen bleiben und Frauenorganisationen mehr finanzielle Ressourcen brauchen.
Berichte über sexualisierte Gewalt unter russischer Besatzung schockieren und alarmieren uns. Es wird viele Jahre, klaren politischen Willen und auch finanzielle Ressourcen brauchen, um diese Menschenrechts- und Kriegsverbrechen aufzuarbeiten. Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt im Krieg müssen als Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden. Internationale Beobachter*innen (z.B. der OSZE und des Internationalen Strafgerichtshofes) müssen aufgefordert werden, Hinweise auf Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt aufzunehmen und zu dokumentieren. Strafrechtsverfahren gegenüber Tätern und Befehlsgebenden müssen eingeleitet werden.
Ein Anstieg der geschlechtsspezifischen Gewalt droht jedoch auch innerhalb der ukrainischen Gesellschaft aufgrund der gesellschaftlichen Verwerfungen, die der Krieg ausgelöst hat. Betroffene benötigen in der Ukraine und auf der Flucht niedrigschwelligen und kostenlosen Zugang zu psychosozialer und gesundheitlicher Versorgung, inklusive des Zugangs zu straffreiem Schwangerschaftsabbruch – unabhängig von den gesetzlichen Regelungen im Aufnahmeland. Auf den Fluchtrouten und in Erstaufnahmelagern ist Gewaltschutz elementar.
Die solidarische Aufnahme ukrainischer Geflüchteter in Europa ist ein Etappensieg für die Menschlichkeit. Der Deutsche Frauenrat setzt sich schon lange für humane Aufnahmestandards ein. Diese müssen für alle Geflüchteten gelten. Zudem muss jede ukrainische Frau, die hier ankommen will, ankommen können – physisch, psychisch, sozial, beruflich und politisch. Der Deutsche Frauenrat fordert die Bundesregierung auf, bei der Integration geschlechtsspezifische Bedarfe von Anfang an mitzudenken. Dazu gehört auch der Zugang zu Kinderbetreuungsangeboten, Pflegeleistungen sowie zur Gesundheitsversorgung. Viele Frauen, die geflohen sind, wollen sich weiter politisch engagieren. Ihre Initiative muss unterstützt und diese Expertise wertgeschätzt werden.
Der Deutsche Frauenrat fordert, dass die Bundesregierung die Frauen im Sinne der feministischen Außenpolitik einbindet, Hilfen für Frauenorganisationen und Zivilgesellschaft, die die Interessen von Frauen vertritt, ausweitet und zu einer friedlichen und nachhaltigen Lösung des Konfliktes beiträgt. Dies bedeutet sowohl die Sanktionsmöglichkeiten gegen Russland voll auszuschöpfen als auch die Ukraine zu entlasten bspw. durch einen Schuldenschnitt. Wiederaufbauprogramme müssen geschlechtergerecht gestaltet werden. Hier sind ein ex-ante Gleichstellungscheck sowie begleitende Evaluierungen auf Grundlage geschlechtsspezifischer Daten notwendig.