Seit dem 1. Juli hat Deutschland den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft inne, die vor allem als „Corona Präsidentschaft“ wahrgenommen wird. Der Deutsche Frauenrat begrüßt, dass die Bundesregierung in ihrem Präsidentschaftsprogramm „Gemeinsam. Europa stärker machen“ die Auswirkung der Pandemie auf die Gleichstellung der Geschlechter in den Blick nehmen will und zudem gemeinsam mit Portugal und Slowenien, die nachfolgend die Ratspräsidentschaft übernehmen, die Erklärung „Trio Presidency Declaration on Gender Equality” zur Geschlechtergerechtigkeit abgegeben hat.
Im Programm der Bundesregierung wird die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen konkret benannt und zurecht als einen „Auftrag an uns alle, an dem die Zukunftsfähigkeit der EU gemessen wird“ beschrieben. Die gemeinsame Erklärung von Deutschland, Portugal und Slowenien unterstreicht die Gleichstellung der Geschlechter als „ein grundlegendes Menschenrecht“. Zusammen stellen die drei Länder für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2021 elf Forderungen auf, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben. Schwerpunkte sind die Abmilderung der negativen Folgen der Corona-Krise für Frauen, digitale Inklusion und Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Deutschland will vor allem eine gerechte Verteilung der unbezahlten und bezahlten Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern erreichen sowie Unterstützungssysteme für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Frauen verbessern. Dazu wird beispielsweise eine europaweite Telefonnummer für Frauen angekündigt, die Gewalt erfahren haben.
Der deutsche Frauenrat begrüßt folgende Ziele, die in beiden Programmen genannt werden und drängt auf deren Umsetzung:
Die „Auswirkungen der COVID-19-Pandemie für Frauen abzumildern“ und eine „eigenständige Existenzsicherung von Frauen“ sind Ziele der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Auch das Trio fordert, dass „die Gleichstellung der Geschlechter ein wesentlicher Bestandteil der sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaupläne sein“ muss. Beides greift aber zu kurz. Der gesamte gestärkte EU-Haushalt und weitere Maßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen und sozialen Krise müssen sicherstellen, die Lebenswirklichkeiten von Frauen und Mädchen gleichermaßen berücksichtigt werden. Für das Finanzprogramm Next Generation Europe bedeutet das eine zwingende Prüfung der Auswirkung der Maßnahmen auf die Geschlechter, um nicht -wie in der letzten Wirtschaftskrise- vor allem Arbeitsplätze von Männern zu sichern. Darüber hinaus zeichnen sich bereits jetzt Kürzungen im ohnehin unterfinanzierten Titel für Gleichstellung im Mehrjährigen Finanzrahmen ab. Auch muss der europäische Green Deal, ein Investitionsprogramm, welches Europa als ersten Kontinent bis 2050 klimaneutral werden lassen soll, Gleichstellung als strategisches Ziel integrieren, um das Potenzial dieser Maßnahmen voll auszuschöpfen und auf ein nachhaltiges, inklusives Europa hinarbeiten. Ebenso darf nicht vom Ziel abgerückt werden, dass das nächste Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, „Horizont Europa“ weiterhin Mittel für geschlechtsspezifische Forschung bereitstellt. Die EU muss ihre etablierte Vorreiterrolle nutzen, um bestehende EU-Rechtsvorschriften zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf nationaler Ebene umzusetzen, auch durch weitere Anreize und wirksame Sanktionen gegenüber den Mitgliedstaaten.
Der DF begrüßt ausdrücklich die Zusage von Bundesfrauenministerin Franziska Giffey in ihrem Auftritt vor dem Ausschuss der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) des Europaparlaments am 3. Juli, „Gender Budgeting im Mehrjährigen Finanzrahmen“ und den Konjunkturpaketen der EU voranzutreiben. Die Forderung der Triopräsidentschaften, „geschlechtsspezifische Perspektive in alle Politiken und Maßnahmen sowie in alle relevanten beteiligten Akteur*innen, einschließlich Frauenrechtsorganisationen“ einzubeziehen, ist ebenfalls erfreulich.
Der Deutsche Frauenrat sieht Deutschland in der Verantwortung, die Gleichstellung von Frauen und Männern als Basis des Krisenmanagements zu begreifen und die Weichen für nachhaltige Lösungen zu stellen. Die politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Überwindung der Krise müssen Frauen und Mädchen gleichermaßen zu Gute kommen. Dazu fordert der DF:
Konkret fordert der Deutsche Frauenrat:
Die zivilgesellschaftliche Beteiligung an Entscheidungsprozessen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, des Trios und darüber hinaus hat nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil. Der Deutsche Frauenrat lud als Auftakt mit der Vertretung der EU-Kommission in Berlin bereits im Juni zum digitalen Roundtable: Fair Share – Gleichstellung in Zeiten von Corona. Hier meldeten sich mehr als 400 Interessierte an und diskutierten mit uns und hochrangigen Vertreter*innen der europäischen Kommission, der Bundesregierung, des europäischen Parlaments, des EIGES sowie der European Women’s Lobby. Der Deutsche Frauenrat setzt sich dafür ein aus dieser Veranstaltung mit europäischen Partner*innen eine ganze Veranstaltungsreihe erwachsen zu lassen. Um die Wirkmacht der Krise auf die Gleichstellung der Geschlechter aufzuzeigen und neue Wege miteinzuschlagen.
Der DF-Kommentar zur EU-Gleichstellungsstrategie in Kurz- und Langfassung als PDF
Mit einer feministischen Außenpolitik und internationaler Zusammenarbeit weltweit gegen Corona