Die gleichstellungspolitischen Ziele der deutschen Ratspräsidentschaft (1.7. bis 31.12.2020) waren groß, ebenso der Druck in der Krise – fast ohne persönliche Treffen – 27 Staaten zu einen. So hatte sich Deutschland u.a. folgendes vorgenommen:
- Die Verabschiedung einer Entgelttransparenzrichtlinie sowie einen Vorstoß bei der Richtlinie für Frauenquoten in Aufsichtsräten (Deutschland hatte hier in den letzten Jahren blockiert)
- Ratsschlussfolgerungen zur partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern
- Die Verabschiedung des Gender-Aktionsplans III, inkl. Ratsschlussfolgerungen
- Unterstützungssysteme für von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Frauen
- Gerechter EU-Haushalt und Konjunkturmaßnahmen
Zusammen mit der EWL (European Women‘s Lobby) setzte sich der DF für die geschlechtergerechte Bewältigung der Krise ein: In einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Repräsentanz der EU-Kommission „Fair Share“ im Juni, mit Unterstützung der Kampagne #Halfofit und Aufforderungen an die Bundeskanzlerin sowie den Finanzminister forderten wir die Anwendung eines geschlechtergerechten EU-Haushaltes, auch der Konjunkturmaßnahmen.
Zum Herzstück der Krisenpolitik wurde Geschlechtergerechtigkeit trotzdem nicht. Das lag sowohl an fehlendem politischem Willen als auch an mangelnder Unterstützung – so drohten eine ganze Reihe von Papieren nicht abgestimmt zu werden, sollten Begriffe wie „Gender Equality“ weiter Bestandteil dieser bleiben. Vor allem Polen und Ungarn distanzierten sich immer weiter vom Rest der EU-Mitgliedsstaaten.
Kontaktbeschränkungen und somit rein digitale Verhandlungen vereinfachten das Krisenmanagement sicher nicht. So konnte der informelle Rat der Gleichstellungsminister*innen nicht wie geplant, sondern lediglich als zweistündige Videokonferenz durchgeführt werden. Triloge (Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission für Gesetzesvorhaben) konnten erst sehr spät und stark eingeschränkt stattfinden und der Austausch mit der Zivilgesellschaft ebenso nur über kurze Videokonferenzen.
Der DF begrüßt die Einigungen, die – teilweise erst sehr kurz vor Ende der Präsidentschaft – trotz allem erzielt werden konnten:
- Die Ratsschlussfolgerungen: „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Verdienstgefälles: Bewertung und Aufteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Betreuungs-, Pflege- und Hausarbeit“ in welchen sich die EU-Mitgliedsstaaten u.a. auf einen Rahmen für die ausgewogene Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern einigen. Dazu gehört auch die Verringerung von finanziellen Negativanreizen (u.a. bei Besteuerung und Sozialleistungen). Darüber hinaus sollen externe direkte und indirekte (Arbeit im Haushalt) Betreuungsarbeit aufgewertet und verstärkt nutzbar werden. Hier sollen Möglichkeiten geprüft werden, die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen finanziell zu unterstützen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Harmonisierung von geschlechtersegregierten, intersektionalen Daten und der Entwicklung eines EU-Indikators für das geschlechtsspezifische Betreuungsgefälle (Gender Care Gap).
- Die Schlussfolgerungen des Vorsitzes (da Polen und Ungarn die Zustimmung verweigerten, konnten keine Ratsschlussfolgerungen abgestimmt werden, sondern Deutschland nur Schlussfolgerungen des Vorsitzes mit 24 Unterzeichner*innen formulieren) zum Aktionsplan für die Gleichstellung (GAP) III – Eine ehrgeizige Agenda für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau im auswärtigen Handeln der EU. Die Kommission hatte im November den dritten Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter vorgelegt.
- Ein digitaler, informeller Gipfel der EU-Gleichstellungsminister*innen, auf welchem, u.a. eine EU-weite Hilfehotline zum Schutz vor Gewalt beschlossen wurde.
- Der Mehrjährige Finanzrahmen, welcher noch in der letzten Sekunde abgestimmt werden konnte und neben der Aufstockung des Programms „Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ auf 1,6 Mrd. EUR auch unter den Querschnittsaufgaben den relevanten Zusatz einer geschlechtsspezifische Folgenabschätzung für das Jahr 2023 als Aufgabe an das Europäische Parlament enthält.[1]
Als Mitglied der Troika ist Deutschland noch bis Ende 2021 – unter portugiesischer und dann slowenischer EU-Präsidentschaft – weiter in exponierter Lage, um sich für die weiteren Forderungen ihrer Gleichstellungsministerinnen einzusetzen, welche im Juli 2020 als Triodeklaration formuliert wurden.
Der DF verfolgt die Prozesse eng zusammen mit der EWL und den portugiesischen sowie slowenischen Partnerorganisationen.
[1] „Das Parlament sorgt auch dafür, dass eine Methode zur Messung der Ausgaben für Gleichstellungsfragen konzipiert wird, die spätestens ab 2023 für mehrere zentral verwaltete Programme im Hinblick auf ihre Verlängerung in der zweiten Hälfte des MFR umgesetzt werden soll.“