Die Rechtsanwendung in Deutschland wird den Anforderungen, die Artikel 31 der Istanbul-Konvention stellt, nicht gerecht. Hier gibt es deutlichen Verbesserungsbedarf. Darüber waren sich Bundestagsabgeordnete von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken gemeinsam mit den Vertreterinnen* des zivilgesellschaftlichen Bündnis Istanbul-Konvention heute bei einem Parlamentarischen Frühstück einig.
Artikel 31 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (kurz: Istanbul-Konvention) befasst sich mit dem Sorgerecht und Besuchsrecht im Verhältnis zur Sicherheit von Müttern und Kindern in Fällen häuslicher Gewalt. Er verlangt, dass die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen treffen, die sicherstellen, dass die Ausübung des Besuchs- und Sorgerechts nicht die Rechte und die Sicherheit des Gewaltopfers oder der gemeinsamen Kinder gefährdet.
Die Rechtspraxis in Deutschland unterläuft jedoch häufig diese Anforderungen. Denn das Umgangsrecht des Vaters und des Kindes genießen in der Rechtsanwendung häufig Vorrang vor dem Schutz der Mutter, was neuerliche Gefahr für die Frauen und die Kinder durch den Gewalttäter mit sich bringt. So die Kritik von Expert*innen und Anwält*innen aus dem Bereich Gewaltschutz. Sie fordern Regelungen im Umgangs- und Sorgerecht, die nicht mit den Anordnungen des Gewaltschutzes kollidieren. Diese Forderung wird von Bundestagsabgeordneten unterstützt.
Dazu sagte Sönke Rix, familienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Gastgeber des Parlamentarischen Frühstücks: „Für uns ist beim Sorge- und Umgangsrecht das Kindeswohl die Maxime. Ich gehe deshalb davon aus, dass im Rahmen der Sorge- und Umgangsrechtsreform, die das Bundesjustizministerium noch in dieser Legislatur erarbeitet, das Kindeswohl als oberstes Motiv zugrunde gelegt werden wird. Dazu gehört konsequenterweise auch der Schutz des Kindes vor der Gewalt durch den Vater (oder durch die Mutter). Es muss klar sein, dass die Regelungen der Reform nicht dem Gewaltschutz der Kinder zuwiderlaufen dürfen.“
Yvonne Magwas, Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte: „Das Umgangsrecht darf dem Gewaltschutz nicht zuwiderlaufen. Das ist unser Kompass und unsere Richtschnur. Deshalb startet die Bundesregierung jetzt die Initiative „Stärker als Gewalt“. Ziel ist die Sensibilisierung und Information der breiten Öffentlichkeit über das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Frauen sowie zu Hilfe, Unterstützung und Handlungsmöglichkeiten dagegen. Die Initiative fördert ein gesellschaftliches Klima, in dem Gewalt an Frauen verurteilt wird. So helfen wir von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern ganz konkret.“
Artikel 70 der Istanbul-Konvention fordert die nationalen Parlamente der Unterzeichnerstaaten ausdrücklich auf, sich an der Überwachung der Maßnahmen zu beteiligen, die zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffen worden sind.
Istanbul-Konvention Artikel 31: Anliegen, Umsetzung und Konfliktlagen
Die Istanbul-Konvention ist ein Menschenrechtsabkommen des Europarats zur Bekämpfung geschlechts-spezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen und seit Februar 2018 in Deutschland geltendes Recht. Die Umsetzung der Konvention macht ein Gesamtkonzept erforderlich, das kontinuierlich überprüft und kontrolliert wird. Dafür fehlen in Deutschland bislang jedoch die Strukturen.
Das Bündnis Istanbul-Konvention (BIK): Im Frühjahr 2018 haben sich Frauenrechtsorganisationen und weitere Bundesverbände mit dem Arbeitsschwerpunkt Gewalt gegen Frauen im Bündnis Istanbul-Konvention zusammengeschlossen. Wir verfolgen das Ziel, als Teil der Zivilgesellschaft die Umsetzung dieser verbindlichen Konvention in Deutschland zu begleiten und voranzutreiben. Zum Bündnis gehören:
BAG Forsa e. V., BAG Täterarbeit e. V., bff: Frauen gegen Gewalt e. V., BIG e. V., DaMigra e. V., DF e. V., djb e. V., Frauenhauskoordinierung e. V., gesine intervention, JUMEN, KOK e. V., S.I.G.N.A.L. e. V., Weibernetz e. V., ZIF