Häusliche Gewalt gegen Frauen nimmt in Deutschland zu. Gewalt gegen Frauen weiter zu tolerieren, kostet viel zu vielen Frauen die Unversehrtheit ihrer Körper, ihrer Würde und ihrer Leben. Es kostet allen Frauen Einschnitte in die persönliche Freiheit. Und es kostet Gesellschaft und Staat Milliarden.
Die Bundesregierung will laut Koalitionsvertrag Gewaltschutz und Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen quantitativ und qualitativ ausbauen. Sie hat sich vorgenommen, die europäische Gewaltschutzkonvention (Istanbul-Konvention) „vorbehaltlos und wirksam“ umzusetzen. Für die bisherige Umsetzung der Istanbul-Konvention stellte der Europarat Deutschland 2022 ein auffallend schlechtes Zeugnis aus und empfahl eine lange Liste dringender politischer Maßnahmen, die noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen sind. Dennoch drohen diese wichtigen Vorhaben den Sparmaßnahmen der Bundesregierung zum Opfer zu fallen.
Zur Halbzeit hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erste Meilensteine für den Gewaltschutz vorzuweisen. Die Istanbul-Konvention gilt seit dem 1.2.2023 vorbehaltlos und greift damit auch für Frauen mit eheabhängigem Aufenthaltsstatus. Hier muss der Gesetzgeber jetzt nachhalten und die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Artikel 31 Aufenthaltsgesetz, den Erfordernissen aus Artikel 59 (2) und (3) anpassen. Die Berichterstattungsstellen zu Häuslicher Gewalt und zu Menschenhandel haben ihre Arbeit aufgenommen. Die ILO-Konvention 190 gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz konnte unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) am 22.5.2023 zwar in Kraft treten, wartet aber noch auf ihre Umsetzung.
Großes Augenmerk liegt in der zweiten Halbzeit der Legislatur auf dem angekündigten „bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen“ unter Beteiligung des Bundes. Sowohl für die gesetzliche Regelung zur Finanzierung des Hilfesystems als auch zum Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung werden bereits Konsultationen mit Ländern und Fachverbänden durchgeführt. Der DF fordert, Frauenhäuser einzelfallunabhängig auf gesetzlicher Grundlage zu finanzieren und damit eine Finanzierung von Frauenhäusern auf der Grundlage von Tagessätzen grundsätzlich auszuschließen. Für die Finanzierung und den bedarfsgerechten Ausbau des Hilfesystems, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, müssen die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden. Frauen, die Betroffene von Gewalt sind, müssen mit dem Rechtsanspruch auf Gewaltschutz durchsetzbare Rechte erhalten. Hierzu gehört mindestens der kostenlose, sichere, niedrigschwellige und effektive Zugang zu den entsprechenden Hilfe- und Unterstützungseinrichtungen, wie institutionell geförderten Frauenhäusern und Weiteres.
Der DF begrüßt, dass die Bundesregierung inzwischen ressortübergreifend an einer Strategie gegen Gewalt arbeitet, die auch die Etablierung einer Koordinierungsstelle beinhalten soll. Diese Strategie muss überprüfbare Ziele und konkrete Zeitschienen festlegen, Verantwortlichkeiten der verschiedenen Ressorts klar regeln und mit umfassenden finanziellen Mitteln hinterlegt werden. Der DF fordert, dass die besonderen Bedarfe von Mädchen und Frauen mit Behinderungen, Geflüchteten, Migrantinnen, Angehörigen der LGBTIQ*-Community, wohnungslosen oder suchtkranken Frauen in der Strategie explizit berücksichtig werden.
Das BMJ legte 2023 Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vor, das wichtige Maßnahmen im Kampf gegen Hate Speech beinhaltet. In Bezug auf digitale Partnerschaftsgewalt weist der Entwurf jedoch noch Lücken auf. Wichtig ist auch, Fachberatungsstellen für Betroffene auszubauen und verlässlich zu finanzieren sowie Polizei, Justiz und pädagogische Fachkräfte zu schulen, damit Betroffene ernst genommen werden und Unterstützung erhalten.
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