Die Ausgaben- und Einnahmenpolitik des Staates, auch Fiskalpolitik genannt, ist die Summe der verschiedenen Maßnahmen, die der Staat für seinen jährlichen Haushalt verausgabt und etwa durch Besteuerung wieder einnimmt: Mittels der sogenannten Konjunkturpolitik können kurzfristige Anreize gesetzt werden, um mögliche Wirtschaftseinbußen (wie z.B. in der Finanz- und Wirtschaftskrise oder der Corona-Pandemie) abzufedern, indem etwa die Beschäftigung durch zielgerichtete Maßnahmen stabilisiert wird. Langfristig angelegte Fiskalpolitik wiederum versteht sich eher als Innovations- oder Wachstumspolitik. Dabei geht es um staatliche Investitionsförderungen (z.B. den Ausbau erneuerbarer Energien, das Schaffen grüner Arbeitsplätze), Technologiepolitik (z.B. die Förderung von Startups), oder die Qualitätssteigerung in der Bildungspolitik (z.B. finanzielle Unterstützung für Auszubildende oder Studierende).
Das BIP trifft dabei keine Aussage darüber, ob die produzierten Güter oder angebotenen Dienstleistungen positive oder negative Auswirkungen aus sozialer, ökologischer oder gar gleichstellungspolitischer Perspektive haben. Ein Beispiel: Beschäftigt eine vollzeiterwerbstätige Arbeitnehmer*in eine Haushaltshilfe geringfügig, so wird die Arbeit beider Personen, also die der Vollzeitkraft und die der geringfügig beschäftigten Person, in die gesamtwirtschaftliche Rechnung des BIP mit aufgenommen. Entschließen sich die beiden Personen zu heiraten und das geringfügige Beschäftigungsverhältnis der Haushaltshilfe im gemeinsamen Haushalt aufzulösen, bleibt die Arbeit der beiden dieselbe. Doch da nun die Haushaltshilfe nicht mehr für die geleistete Arbeit entlohnt wird, wird nur noch die Arbeit der Vollzeitkraft ins BIP mit eingerechnet. Die tatsächliche wirtschaftliche Gesamtleistung wird mit der Methode des BIP also unterschätzt, weil unbezahlte Arbeit, die bis heute vor allem von Frauen geleistet wird, generell nicht berücksichtigt wird. Das ist wirtschaftspolitisch durchaus bedeutsam, da die gesamtwirtschaftliche Leistung in Form des BIP häufig die politische Diskussionsgrundlage für Ausgaben- und Einnahmenpolitik des Staates bildet.
Die Integration feministischer Prinzipien in die Wirtschafts- und Fiskalpolitik ist ein wichtiger Schritt, um langfristiges Wachstum und soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten (Mader/Achleitner 2023).
Im Jahreswirtschaftsbericht 2022 der Bundesregierung wurde erstmals ein neues Kapitel zur Wohlfahrtsmessung eingeführt, was darauf abzielt, herkömmliche wirtschaftliche Kennzahlen wie das Bruttoinlandsprodukt durch zusätzliche Indikatoren zu erweitern und einen umfassenderen Blick auf Wohlfahrt und Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Hierfür wurde eine Palette von über 30 Einzelindikatoren entwickelt, die nicht nur rein wirtschaftliche, sondern auch Elemente feministischer Wirtschaftspolitik, wie sozioökologische Aspekte der Wohlfahrt, verstärkt berücksichtigen. Geschlechtsbezogene Aspekte finden sich insbesondere in den Analysen zur Präsenz von Frauen in leitenden Positionen, Existenzgründungen von Frauen, Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern sowie Kinder in Ganztagsbetreuung in Tageseinrichtungen (BMWK 2024). Das BIP schließt jedoch insbesondere auch unbezahlte Arbeit aus. Hier vor allem die unbezahlte Sorgearbeit, wie beispielsweise Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeiten wie Bügeln oder Putzen, die größtenteils von Frauen in der Familie oder auf Haushalts- und Nachbarschaftsebene geleistet wird. Dies liegt daran, dass das BIP auf dem Wert von Transaktionen basiert, die auf Märkten stattfinden und unbezahlte Sorgearbeit nicht auf dem Markt gehandelt wird. Aus aktuellen Daten der Zeitverwendungserhebung (ZVE) ist ersichtlich, dass Frauen wöchentlich neun Stunden mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten als Männer (Statistisches Bundesamt 2024a). Außerdem geht aus der aktuellen Erhebung hervor, dass Eltern – Männer wie Frauen – wöchentlich elf Stunden mehr arbeiten (bezahlt und unbezahlt) als Menschen ohne Kinder. Der Ausschluss von unbezahlter Sorgearbeit aus dem BIP führt dazu, dass die Bedeutung unbezahlter Sorgearbeit für die Gesamtwirtschaft unterschätzt und unsichtbar wird, obwohl die geleistete Reproduktionsarbeit die Grundlage für produktive Tätigkeiten ist (Haidinger/Knittler 2016), obwohl sie dazu beiträgt, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, indem sie die Bedürfnisse von Familienmitgliedern und der Gesellschaft insgesamt erfüllt. Unbezahlte Sorgearbeit ist unverzichtbar für den Arbeitsmarkt, denn ohne sie kann bezahlte Erwerbsarbeit grundsätzlich nicht erbracht werden. Auch wer keine Angehörigen versorgen muss oder möchte, muss (für sich selbst) einkaufen, putzen, sein Leben organisieren und soziale Kontakte pflegen.
Die Nichtberücksichtigung von unbezahlter Sorgearbeit im BIP führt zu einer Unterschätzung des tatsächlichen Werts dieser Arbeit, und die Herausforderungen und Ungleichheiten, denen Menschen in sorgenden Rollen begegnen, werden nicht angemessen erfasst. Eine feministische Fiskalpolitik hingegen erkennt an, dass unbezahlte Sorgearbeit ein wesentlicher Wachstumsfaktor ist.
Ein bedeutender Schritt hin zu einer feministischen Fiskalpolitik besteht in der Implementierung von Gender Budgeting. Dabei handelt es sich um eine Strategie, die Geschlechterperspektive in alle Phasen des öffentlichen Haushaltsplans zu integrieren. Damit soll sichergestellt werden, dass staatliche Ausgaben und Einnahmen politische Maßnahmen unterstützen, die die Gleichstellung der Geschlechter fördern und geschlechtsspezifische Ungleichheiten abbauen. „Aus der Perspektive der feministischen Ökonomie ist von zentraler Bedeutung, welche Umverteilungswirkungen die einnahmen- und ausgabenseitigen Instrumente der Bundespolitik auf das Geschlechterverhältnis haben.“ (Haiding/Knittler 2016: 157). Gender Budgeting umfasst verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise die Identifizierung geschlechtsspezifischer Auswirkungen von Haushaltsentscheidungen, die Integration von Gleichstellungszielen in den Haushaltsprozess, die Förderung von geschlechtergerechten öffentlichen Ausgaben und die Schaffung von Mechanismen zur Überwachung und Bewertung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Haushaltsmaßnahmen. Im Bereich Arbeitsmarkt- und Sportförderung (Kuhl/Frey 2019) lässt sich eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung ganz gut verdeutlichen. Mit Blick auf die Arbeitsmarktförderung machen die Autor*innen beispielsweise deutlich, weshalb langzeitarbeitslose Frauen (die meist unbezahlte Sorgearbeit übernehmen) andere Maßnahmen benötigen, um auf dem ersten Arbeitsmarkt (re-)integriert zu werden als langzeitarbeitslose Männer. Für eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung bedeutet das, nicht nur ob, sondern welche Maßnahmen fiskalpolitisch gefördert werden, um passende Weiterbildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose zu etablieren. Ein weiteres interessantes Beispiel aus der Studie betrifft den Bereich der Sportförderung. Es wird darauf hingewiesen, dass mehr Männer als Frauen in Vereinen Sport treiben, da diese Sportarten anbieten, die besonders Männer und Jungen ansprechen. Die Förderung des Vereinssports erfolgt oft durch öffentliche Finanzmittel für die Sportstätteninfrastruktur. Um die öffentliche Sportförderung geschlechtergerechter zu gestalten, könnten beispielsweise Richtlinien zur Förderpolitik eingeführt werden, dass sie z B. mit Betreuungs- und Pflegezeiten kompatibel sind.
Unternehmensgründungen werden häufig als treibende Kraft für wirtschaftliches Wachstum betrachtet. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass selbstständige Frauen tendenziell eher in Dienstleistungssektoren sowie in traditionell weiblich geprägten Bereichen wie Bildung und Gesundheit tätig sind, die oft geringere Einkommen erzielen. Im Gegensatz dazu sind männliche Selbstständige häufiger in Branchen anzutreffen, die bessere Einkommenschancen bieten, wie beispielsweise im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (Trenkmann 2017). Die Geschlechterperspektive bei Unternehmensgründungen wird weiter unterstrichen durch die Zahlen des Jahres 2019, die insgesamt einen Gründerinnenanteil von 35,5 Prozent zeigen (Metzger 2020). Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Frauen, die beispielsweise in der Hightech-Branche gründen, bei lediglich fünf Prozent (Michler 2016). Auch bei Start-up-Gründungen sind Frauen mit knapp 20 Prozent deutlich unterrepräsentiert (Female Founders Monitor 2022).
Die Herausforderung bei der Erfassung dieser Daten liegt oft darin, dass der Innovationsbegriff im wirtschaftspolitischen Kontext häufig ausschließlich technologisch orientiert ist. Dadurch werden Start-ups, die sich im Bereich sozio-technischer Innovationen engagieren, oft übersehen. Während üblicherweise Umsatz- und Beschäftigungswachstum als primäre Ziele definiert werden, bleiben sozio-ökologische Ziele oft unbeachtet. Typischerweise konzentrieren sich Start-ups von Frauen-Teams auf Branchen mit sozialem Fokus, insbesondere im Bereich Medizin und Bildung, (Female Founders Monitor 2022).
Eine feministische Fiskalpolitik setzt sich dafür ein, das Arbeits- und Fachkräftepotenzial aber auch das Innovationspotenzial von Frauen voll auszuschöpfen. Dies kann für Wachstums- bzw. Konjunkturpolitik bedeuten, dass sowohl (technische und soziale) Innovationen als auch vielfältige Unternehmensgründungen mit den unterschiedlichen Geschäftsmodellen gezielt gefördert werden. Die Empfehlungen der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht (BMFSFJ 2021) betonen in diesem Kontext die Notwendigkeit geschlechtergerechter öffentlicher Förderprogramme, die auch Quotenregelungen für die Mittelvergabe umfassen können. Des Weiteren ist es wichtig, dass Mitarbeiter*innen der Förderprogramme in Genderkompetenz geschult und die entsprechenden Entscheidungsgremien paritätisch besetzt werden. Zudem sollte sichergestellt werden, dass gemeinwohlorientierte Initiativen systematisch in die Gestaltung der Programme einbezogen werden. Eine feministische Wachstumspolitik erkennt die Vielfalt der Gründer*innen und Gründungen an, indem sie einen Innovationsbegriff entwickelt und stärkt, der nicht nur digitale, sondern auch sozio-ökologische Herausforderungen berücksichtigt.
In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, wie beispielsweise während der Finanzkrise von 2008/2009 oder infolge der Energieknappheit aufgrund des aktuellen Kriegs, den Russland gegen die Ukraine führt, entstehen oft zunächst erhebliche Ausgaben der öffentlichen Hand bei der Bewältigung der Krise. Diese Ausgaben können verschiedene Formen annehmen, wie beispielsweise staatliche Konjunkturprogramme, finanzielle Unterstützung für betroffene Branchen oder direkte Hilfsmaßnahmen für Bürger*innen. Nach der ersten Phase der Krisenbewältigung treten häufig Sparmaßnahmen in den Vordergrund, um den öffentlichen Haushalt wieder zu konsolidieren. Diese können dazu dienen, die durch die Krise verursachten Haushaltsdefizite auszugleichen, die oder die Verschuldung zu kontrollieren. Einsparungen oder verringerte Haushaltszuwächse können unterschiedliche Bereiche betreffen. Oft sind es die öffentlichen Dienstleistungen, Sozialleistungen, Investitionen in Infrastrukturprojekte oder auch das Bildungs- und Gesundheitswesen.
Vor allem Einsparungen im familien- und gleichstellungspolitischen Bereich haben geschlechtsbezogene Auswirkungen, da Männer und Frauen unterschiedlich von sozial- oder wohlfahrtsstaatlichen Leistungen abhängig sind. Bereits in der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich gezeigt, dass die Sparpolitik im Bereich der öffentlichen Infrastrukturen wie etwa die öffentliche Gesundheitsversorgung vor allem Frauen betrifft. Denn sie sind diejenigen, die die schlechtere Gesundheitsversorgung privat auffangen, indem sie unbezahlt z.B. die Pflege von Angehörigen übernehmen.
Eine feministische Fiskalpolitik setzt sich dafür ein, Sparpolitiken daraufhin zu analysieren, ob die entsprechenden Kürzungen Frauen im Allgemeinen und vulnerable Gruppen wie beispielsweise Eltern, Alleinerziehende, Pflegende oder Menschen mit geringem Einkommen stärker belasten als andere Gruppen. Zudem setzt sie sich für alternative Lösungsansätze ein, die solche Auswirkungen vermeiden. Entsprechend fordert eine feministische Fiskalpolitik eine Überprüfung und Neubewertung von Sparmaßnahmen, um sicherzustellen, dass sie nicht zu einer weiteren Benachteiligung führen. Stattdessen sollten politische Entscheidungen darauf abzielen, eine gerechte Verteilung von Ressourcen sicherzustellen und die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen angemessen zu berücksichtigen, um eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu schaffen. Übermäßige Kürzungen bei Sozialprogrammen oder bei sozialen Leistungen, die der Geschlechterungleichheit auf Haushaltsebene entgegenwirken können und die Teilhabe oder das Empowerment von Menschen direkt verbessern, sind vor allem für arme Menschen und insbesondere für Frauen und Mädchen schädlich (Çağatay 2003: 19).
Langfristig gesehen geht es bei feministischer Fiskalpolitik nicht nur um die kurzfristige Stabilisierung der Wirtschaft, sondern auch um eine (sozial wie ökologisch) nachhaltige Wachstumspolitik. Dies erfordert Investitionen in Bereichen wie Bildung, Technologie und Infrastruktur, die Frauen und Männern gleichermaßen zugutekommen und somit das gesamte Wirtschaftswachstum vorantreiben bzw. wirtschaftlichen Wohlstand ermöglichen. Ob wirtschaftlicher Wohlstand allein durch wirtschaftliches Wachstum zu erreichen ist, ist jedoch diskussionswürdig. Zu viele alternative wirtschaftspolitische Konzepte stehen bereits zur Verfügung: Seien es Ideen dazu, mittels eines sogenannten Satellitensystems auch die unbezahlte Sorgearbeit jährlich zu erfassen und damit sichtbar zu machen wie es die Schweiz praktiziert, oder Ideen der wirtschaftlichen Suffizienz, die ein ressourcenintensives Wachstumsparadigma ersetzen könnten, ferner Konzepte des vorsorgenden Wirtschaftens, die auf die Verschränkungen von Klima- und Geschlechtergerechtigkeit verweisen und dabei versorgungswirtschaftliche Fragestellungen (wie Sorgearbeit oder Nachhaltigkeit) fokussieren. In Deutschland wird aktuell sowohl von Industrievertreter*innen wie z.B. der Chemiebranche (Chemie³ 2022) als auch von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen (Deutscher Frauenrat 2023) die sogenannte Kreislaufwirtschaft (circular economy) diskutiert. Während eine feministische Perspektive unbezahlte Sorgearbeit in den Kreislauf des Wirtschaftens miteinschließt, ist fraglich, ob die klassische Wirtschaftspolitik dies ähnlich definieren würden. Festzuhalten ist allerdings, dass durch feministische Fiskalpolitik und integrale Wirtschaftsplanung, Volkswirtschaften effizienter (ressourcenschonender), widerstandsfähiger (resilienter) und inklusiver (partizipativer) werden können (Mellor 2016).
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