Gerechte Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik

Gerechte Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik

Thema "Halbzeitbilanz 2023" | 30. November 2023

Wirtschaft und Arbeitswelt befinden sich im Umbruch. Überholte Rollenbilder erschweren Frauen aber noch immer die Teilhabe am Erwerbsleben und Männern die Teilhabe an der Sorgearbeit. Mehr als die Hälfte der Frauen ist in Teilzeit erwerbstätig, nur ein Bruchteil der Frauen übt Führungsfunktionen aus; sie sind häufiger als Männer in Branchen mit schlechten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhnen tätig.

Die Koalition hat verschiedene arbeitsmarktpolitische Vorhaben vereinbart, die langjährigen DF-Forderungen entsprechen. Dazu gehört insbesondere die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, die 2022 umgesetzt wurde. Ein höherer Mindestlohn wertet frauendominierte, systemrelevante Berufe im Dienstleistungssektor und in der Sorgearbeit auf. Er ist somit ein Beitrag zur Reduzierung der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Angesichts der hohen Inflation enttäuscht die Mindestlohnanpassung auf zunächst 12,41 Euro ab 2024 nach Vorschlag der Mindestlohnkommission allerdings. Ein angemessen hoher Mindestlohn ist ein entscheidender Faktor, um Frauen vor Armut im Erwerbs- und Rentenalter zu schützen.

Mit zwei Dritteln machen Frauen den größten Anteil der Minijobber*innen in Deutschland aus. Minijobs sind als „Hinzuverdienst“ nicht sozial abgesichert und laufen der eigenständigen Existenzsicherung zuwider. Die Erhöhung der Verdienstgrenze bei den Minijobs dynamisch am Mindestlohn orientiert verstärkt Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern und manifestiert die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Der DF fordert, Minijobs als Sonderform der Beschäftigung aufzugeben und in die Systeme der sozialen Sicherung zu überführen.

Die von der Koalition vereinbarte Abschaffung der Steuerklassenkombination III/V ist ein überfälliger Schritt hin zu einer geschlechtergerechten Steuerpolitik – er muss nun zügig umgesetzt werden. Damit würde die überproportional hohe Besteuerung in der Steuerklasse V beendet und Einbußen bei der Berechnung von Lohnersatzleistungen (z.B. Elterngeld, Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kurzarbeitsgeld) auf Grundlage des Nettoeinkommens reduziert. Der nächste Schritt muss die Einführung einer Individualbesteuerung unter Beibehaltung übertragbarer Grundfreibeträge sein.

Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten staatlichen Zuschüsse für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen sind ausdrücklich zu begrüßen. Der DF sieht darin nicht nur eine mögliche Erleichterung der Vereinbarkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit, sondern auch eine Aufwertung haushaltsnaher Tätigkeiten. Diese werden bislang zu 90 Prozent ohne Regulierung, prekär und in der Regel von Frauen erbracht. Das Vorhaben ist bereits zum zweiten Mal Gegenstand eines Koalitionsvertrags – der DF erwartet nun eine zeitnahe Umsetzung.

Seit Jahren stagniert die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern. Die Bundesregierung plant laut Koalitionsvertrag dem mit einer Weiterentwicklung des Entgelttransparenzgesetzes entgegenzutreten. Wie notwendig die Weiterentwicklung ist, zeigt der zweite Bericht der Bundesregierung zur Evaluation der gesetzlichen Regelungen (August 2023): Lediglich vier Prozent der befragten Beschäftigten haben ihren Anspruch auf Lohntransparenz wahrgenommen. Vielen Beschäftigten ist das Gesetz gar nicht bekannt. Der DF fordert schon lange, das Entgelttransparenzgesetz zu einem wirkungsvollen Lohngerechtigkeitsgesetz weiterzuentwickeln. Der Gesetzgeber muss nun die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie nutzen, um den Gender Pay Gap auf betrieblicher Ebene entschlossen zu bekämpfen und Unternehmen zur Überprüfung ihrer Entgeltpraxis zu verpflichten.

Um Frauen und Männern die gleichen Verwirklichungschancen in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt zu ermöglichen, sind eine Reihe von politischen Maßnahmen notwendig. Der DF erkennt in der Digitalstrategie der Bundesregierung – dem Rahmen für ihr digitalpolitisches Handeln bis 2025 – einige gute gleichstellungspolitische Ansätze, darunter u.a. Maßnahmen zur Förderung von Frauen in MINT und bei Unternehmensgründungen, zur Beseitigung von Geschlechterstereotypen in der Berufsorientierung oder zur Erhöhung des Frauenanteils in der Digitalbranche. Zusammenfassend fehlt der Strategie jedoch der gleichstellungspolitische rote Faden, der eine wirksame geschlechtergerechte Digitalpolitik im Querschnitt aller Politikfelder ermöglicht und konkrete Zielsetzungen formuliert.

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