Sorgearbeit fair teilen- Familien vor Armut schützen

Sorge fair teilen – Familien vor Armut schützen

Thema "Halbzeitbilanz 2023" | 30. November 2023

Von der Kinderbetreuung über die Hausarbeit bis zur Unterstützung pflegebedürftiger Angehöriger – Frauen übernehmen den überwiegenden Teil der unbezahlten Sorgearbeit in Familien. Auch Paare, die sich Sorge fair teilen, kehren häufig nach der Geburt des ersten Kindes zu einer traditionellen Arbeitsteilung zurück – zu Lasten der eigenständigen Existenzsicherung von Frauen. Der DF hat begrüßt, dass sich die Bundesregierung die Förderung einer partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zum Ziel gesetzt hat. Doch leider lässt die Umsetzung der vereinbarten Instrumente auf sich warten.

In der frühen Familienphase werden entscheidende Weichen für die Arbeitsteilung bei jungen Paaren gestellt. Der DF unterstützt ausdrücklich das Vorhaben einer Familienstartzeit, also die bezahlte Freistellung von Vätern und Co-Müttern für zehn Arbeitstage rund um die Geburt eines Kindes. Sie setzt einen starken Anreiz für Väter, langfristig mehr Sorgearbeit in ihrer Familie zu übernehmen. Das Vorhaben muss nun zügig umgesetzt werden.

Eine notwendige Maßnahme für die faire Verteilung von Sorgearbeit ist daneben die partnerschaftliche Weiterentwicklung des Elterngelds. Die Ampelparteien haben im Koalitionsvertrag die Ausweitung nicht übertragbarer Elterngeldmonate vereinbart. Statt dieses wichtige Vorhaben voranzutreiben, sieht der Haushaltsentwurf 2024 sogar Kürzungen bei der beliebtesten familienpolitischen Leistung in Deutschland vor. Der DF appelliert an die Bundesregierung die Mittelkürzungen zurückzunehmen und die wichtige Reform für mehr Partnerschaftlichkeit endlich anzugehen.

Auch bei der Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger klafft eine enorme Sorgelücke zwischen den Geschlechtern. Frauen übernehmen zu Lasten ihrer Erwerbstätigkeit sowie ihrer physischen und psychischen Gesundheit den überwiegenden Anteil informeller Pflegeaufgaben. Die vereinbarte Lohnersatzleistung für pflegende Erwerbstätige ist ein wichtiger Baustein, um betroffene Frauen finanziell besser abzusichern und Männer zu ermutigen, sich um ihre Angehörigen zu kümmern.

Damit Pflege und Beruf gut miteinander vereinbart werden können, sind Pflegende auf bedarfsgerechte und öffentlich bereitgestellte Hilfen und Strukturen angewiesen. Ebenso wie die Einführung der Lohnersatzleistung steht der Ausbau der Angebote für Kurzzeit- und Tagespflege weiter aus. Diese Projekte müssen in der zweiten Halbzeit tatkräftig in Angriff genommen werden.

Auf dem Weg zur angekündigten Modernisierung des Unterhaltsrechts hat das Bundesministerium der Justiz (BMJ) im August 2023 erste Eckpunkte für eine Reform vorgelegt. Sie sehen vor, die jeweiligen Betreuungsanteile beider Elternteile nach der Scheidung besser zu berücksichtigen und mitbetreuende Elternteile – mehrheitlich Väter – stärker zu entlasten. Der DF mahnt an, dass das Unterhaltsrecht zur gelebten Praxis getrennter Eltern passen muss: Die Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit während des Zusammenlebens muss bei der Berechnung des Barunterhalts für die gemeinsamen Kinder nach der Trennung angemessen berücksichtigt werden. Die entstehenden Mehrkosten eines erweiterten Umgangs oder Wechselmodells (z.B. doppelte Ausstattung und Miete von Kinderzimmern) müssen gerecht verteilt werden. Die Reform darf auf keinen Fall zu Lasten der ökonomisch schwächeren Elternteile – ganz überwiegend Mütter – oder der Existenzsicherung des Kindes gehen.

Mit Blick auf die angekündigte Reform des Sorge- und Umgangsrechts unterstützt der DF die Stoßrichtung aus dem Koalitionsvertrag, dass bei konflikthaften Sorgerechtsfragen weiterhin die individuelle Betrachtung und Entscheidung zentral ist. Dabei muss weiterhin das Kindeswohl an oberster Stelle stehen. Mit Blick auf die Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts unverheirateter Eltern spricht sich der DF dafür aus, an der Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung festzuhalten. Nicht zuletzt fordert der DF, dass gemäß der Istanbul-Konvention Gewaltschutz Vorrang vor Umgangs- und Sorgerecht hat. Dieser Grundsatz muss sich in der Reform unbedingt wiederfinden.

Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf, besonders häufig sind Kinder betroffen, die bei Alleinerziehenden – zu 90 Prozent Frauen – aufwachsen. Leider versäumt die Bundesregierung mit der Kindergrundsicherung, die sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindet, strukturelle Kinder- und Familienarmut wirksam zu bekämpfen. Der eng gesteckte finanzielle Rahmen lässt keinen Spielraum für eine ambitionierte Umsetzung. Der DF bekräftigt seine Forderung nach einer Kindergrundsicherung, die Kinder unabhängig von ihrer Familienform nachhaltig unterstützt und vor Armut schützt.

Auch in der professionellen Sorgearbeit besteht ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern: Ob als Kranken- oder Altenpflegerin, als Erzieherin, Sozialpädagogin oder Haushaltshilfe: meistens sind es Frauen, die in diesen Berufen gesellschaftlich wertvolle Arbeit bei schlechter Vergütung leisten. Die Koalition hat sich die Aufwertung von systemrelevanten Sorgeberufen vorgenommen, u.a. im Rahmen der vereinbarten „Gesamtstrategie Fachkräfte in Erziehungsberufen“. Der Erfolg der Umsetzung wird sich aus Sicht des DF daran messen lassen, ob Löhne tatsächlich steigen und sich Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessern.

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